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Untote aus regionalem Anbau

Wozu Zombie-Einheitskost aus den USA? Es gibt doch „Walking Dead“-Alternativen aus heimischem Anbau. Heute im ZomBiomarkt: „Die Toten“


Illustration: Foto: Heiko Nerenz/Nadine Conrad/Christopher Tauber/Stefan Dinter - Panini

Natürlich kann man schimpfen, dass „The Walking Dead“ fad sind, sozusagen das Fernsehbier unter den Zombie-Comics. Aber was soll der arme Konsument tun, wenn er doch das Genre mag? Er kann zu Geof Darrows (hier auch besprochener) verstörender Persiflage „Shemp Buffet“ greifen. Oder, im Zeitalter der Biomärkte: zu Alternativen aus regionalem Anbau. Ja, die gibt es. Und eines kann ich jetzt schon versichern: Selbst in ihren schwächsten Momenten blasen sie The Walking Dead den Schädel weg. Heute: „Die Toten“ vom Zwerchfell Verlag.


Spielregel: Der Handlungsort ist Deutschland


Ausgedacht haben sich die Serie die Verlagsleiter Stefan Dinter und Christopher Tauber. Da wird’s sogar besonders regional, denn die Spielregel lautet: Auch die Handlung muss in Deutschland stattfinden, der Zeitpunkt der Katastrophe ist 2009. Und vor diesem Hintergrund darf jeder ran, der Zeit, Lust und das Vertrauen des Verlags hat, denn ein „Die Toten“-Band besteht aus drei bis fünf Kurzgeschichten.


Das Ergebnis ist ein erstaunlich ergiebiger Kessel Blutiges. Mal eher parodistisch, als zwei bayerische Jungbauern die Zombies als Gelegenheit sehen, endlich nach München ins P1 zu kommen. Mal eher romantisch, als sich in Bochum zwei einsame Überlebende an Weihnachten zu einem Pärchen zusammenfinden. Schön bizarr ist die Hanauer Geschichte: eine Schülerin geht allein weiter in ihre verwüstete Schule, als wäre nichts. Ihre infizierten Lehrer, einige Mitschüler hat sie mit Drähten in den Klassenzimmern und Schulfluren fixiert – weil sie diesen Ort so konservieren möchte: Sie ist verliebt in den Lehrer, den sie… nein, das wird nicht verraten.


Mehr Geschichten – interessantere Ansätze


Mindestens zwei Geschichten stellen die Frage, was aus Leuten wird, die den lieben langen Tag ihren ehemaligen Mitmenschen den Kopf abschlagen, zerschmettern. Während „The Walking Dead“ die gewagte These aufstellt, das würden Fasler, Jammerer und Laberer, kommen gleich mehrere „Toten“-Stories der Wahrheit wohl deutlich näher: So eine Welt produziert auch eine Vielzahl von Leuten, die selbst mit den Errungenschaften der Zivilisation nicht mehr viel am Hut haben.


In der Stuttgarter Episode etwa müssen die Frauen der Stadtbevölkerung die Nahrungsmittellieferanten aus dem Umland mit ihrem Körper bezahlen (und nicht nur die Frauen). In „Nord Brandenburg“ sagt ein Bundeswehr-Offizier ernüchtert: „Bald wird es nur noch zwei Arten von uns geben: Menschen mit Waffen und Menschen ohne Waffen.“ Der deutsche Aspekt ist dabei allerdings noch ausbaufähig.


Per Fahrrad in Bochum auf der Flucht


Nicht immer ist die Stimmung so schön deutsch wie in „Bochum“, wo die 60er-Jahre Architektur, die Fußgängerzone und die treue Nutzung des Fahrrads sehr gut funktionieren. In der Autobahn-Episode etwa ist die Autobahn nur Location, natürlich voller gestauter, verlassener Autos, ohne dass jemand erklären würde, warum im Zombienotfall keiner einfach rechts von der Autobahn runter ins Feld fährt. Aber verlassene Autos gehören nun mal zur Bildsprache dieses hoffnungslos widersprüchlichen Genres.


Tatsächlich wäre ein logisch-gründliches Re-Engineering des Zombie-Gedankens eine schöne, geradezu urdeutsche Aufgabe, dazu sind „Die Toten“ allerdings zu traditionsbewusst. Die Zombies sind so, wie man sie kennt, langsame Torkler mit der denkbar unpraktischen Ansteckungsmethode „Beißen“ (wäre nicht Anhusten viel effektiver?).


Die Autoren spornen sich gegenseitig an


Um so wirksamer ist der Dreh mit den Kurzgeschichten: Anders als bei Walking Dead wird nicht eine dröge Saga endlos verwaltet – die Autoren spornen sich gegenseitig an. Es gibt den Typ, der schon jede Menge Vorräte hortet für die Zeit „danach“, wenn mal ein Gegenmittel entdeckt ist. Ein Gegenmittel! Schön, dass mal einer diese Option erwägt. Verleger Tauber lieferte selbst die ebenfalls originelle Vorlage eines Junkies, der sich absichtlich beißen lässt – Zombietum als ultimativer Drogentrip.


Boris Koch lässt eine WG mit Esoterik-Dödeln überleben, die das Gegenmittel in der Reparatur einer ägyptischen Reliquie im Museum vermuten. Die Reparatur ändert natürlich – nichts. Und auch die eher schwache Geschichte „Bad Homburg“ liefert noch eine innovative Note: Ein Mann wählt aus Liebeskummer den Zombietod als Selbstmordart – und trifft unversehens seine Liebe wieder. Sicher, jeder wird auch Geschichten finden, die er nicht mag. Aber selbst die unlogischste oder vom Zeichenstil nicht so eingängige Episode hat versucht, sich was Besonderes auszudenken.


Der Erfolg gefährdet die Verfügbarkeit


Allerdings zeigten die „Toten“ lange kaum Lebenszeichen. Das liegt paradoxerweise an ihrem Erfolg: Die Bände verkauften sich so gut, dass der eher kleine Verlag höhere Auflagen mit höheren Investitionen hätte riskieren müssen. Der größere Panini-Verlag sollte 2013 das Problem lösen – und verursachte ein neues. Zwar konnte Panini die Auflagen stemmen, aber jetzt befürchtete die Leserschaft weichgespülte Massenware, obwohl Macher und Produktionsweise gleich geblieben waren. „Letztlich hat Panini weniger verkauft als wir selber“, staunt Christopher Tauber heute noch. Zwerchfell wird die Serie wieder selbst fortführen, "Die Toten: Ostsee" erschien 2021. Eine entsetzlich vergnügliche Fundgrube.


Die Toten, Bd.1-4, Zwerchfell Verlag, 14-15 Euro.

Die Toten, Bd.1-2, Panini, 29 Euro/19,99 Euro

Die Toten: Ostsee, Zwerchfell-Verlag, 15 Euro


Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.

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