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Opa war ein Nazi

Familiensaga aus der Nachkriegszeit: Titus Ackermann erzählt die Geschichte seines Großvaters in einem Vierteiler, der gratis ist – aber nicht billig

Illustration: Titus Ackermann - Moga Mobo

Was nichts kostet, taugt nichts? Kommt drauf an. Der Moga Mobo-Komplex des Berliner Gratiscomic-Verlegers Titus Ackermann hat sich jetzt ein richtig dickes Brett vorgenommen: eine vierteilige Graphic Novel über Ackermanns Großvater, eine Familiengeschichte aus der Nachkriegszeit. Die auch dadurch an Brisanz und Aktualität gewinnt, weil der Mann bereits damals dasselbe dachte wie Leute, die heute wieder von gestern sind: Er hielt Nazis für eine gute Sache. Ist sowas nicht zu schwere Kost für ein Gratisheft?


Statt Cartoons jetzt: heiße Eisen

 

Denn normalerweise liefern Gratiscomics ja risikoarme Sachen: Cartoons, sanft nachdenkliche Dreiseiter, oder (Knax!) verbrämte Werbung. Auch Ackermann nutzt das Prinzip gelegentlich: Wenn zum Beispiel die Deutsche Bahn kultig sein will, organisiert er ihr ein Geschichtenheft, für das sogar Mawil einen erstklassigen Beitrag liefert.

Illustration: Titus Ackermann - Moga Mobo

In diesem Fall verlässt sich Ackermann aber auf einige Annoncenseiten, den zusätzlichen Verkauf einer Premiumversion und Selbstausbeutung. Im Gegenzug kriegt er so viel künstlerische Freiheit, dass diese ihm auch selbst etwas Angst zu machen scheint: Im Vorwort entschuldigt er sich so ausufernd, als würde man durch einen Nazi-Opa selbst zum Holocaust-Leugner. Aber bei der Geschichte selbst hat er sich dann wieder im Griff. Worin besteht die nun?


Im Schrank steht „Mein Kampf


1989 stirbt Opa Ackermann, seine Söhne und Enkel räumen das Haus aus. Und erfahren dabei die Geschichte von einem, der den Krieg verlor, danach aber Nazi blieb, Passiv-Nazi könnte man sagen. Der Hitlers „Mein Kampf“ und eine Pistole zuhause hatte, der Ausländer nicht mochte und Juden auch nicht. Das ist – auch wenn Opa zu seinen Nachkommen mitunter sehr nett sein konnte – oft nicht sympathisch. Aber mal ehrlich: Konnte man von Opa Ackermann ein Umdenken erwarten?

Illustration: Titus Ackermann - Moga Mobo

Erhoffen: ja. Erwarten: nein. Seine Jugend ist mit Nazidenke verseucht, mit 20 war er ein Herrenmensch, ein Welt(herrschafts)-Star qua Geburt. Luftwaffenpilot, 1942 abgeschossen im exotisch-wüsten Nordafrika, wo die Wehrmacht modisch so ungewohnt lässig herumlief wie die angloamerikanische Konkurrenz. Das kann/muss sich phasenweise für einen jungen Mann richtig gut angefühlt haben. Danach war zwar den einsichtigeren Wehrmächtigen unangenehm, dass sie sich für so ein Regime haben einspannen lassen. Aber Opa Ackermann und viele andere gehörten nicht dazu: Sie hielten es lieber für die spannendste Zeit ihres Lebens, in der sie noch etwas galten. Bloß: Der Krieg ging halt verloren.


Der NS-Opa lernt: So kann man auch gut leben


Dieser Aspekt unterscheidet nun Opa Ackermann von fanatischen Nazis: Er kartet nicht nach. Er akzeptiert die Niederlage, die neuen Gesetze, die Demokratie, auch wenn es bedeutet, dass er Juden und Ausländer plötzlich wie gleichwertige Menschen behandeln muss. Er fängt an, in der deutschen Trümmerlandschaft aus Stacheldraht gemachte Nägel zu verkaufen, gründet so ein Geschäft und ernährt seine Familie. Fertig. „Mein Kampf“ steht im Schrank, wie bei vielen, aber er geht damit nicht hausieren. Er hat sogar irgendwo eine Pistole versteckt, aber er fällt weder auf noch organisiert er einen Umsturz. Warum auch: Das Leben ist als auch Nicht-mehr-Herrenmensch ziemlich okay. Und genau hier liegt das Aktuelle, das Moderne in Titus Ackermanns Geschichte.

Illustration: Titus Ackermann - Moga Mobo

Denn während Ackermann immer wieder grübelt, welchen Einfluss Opa auf ihn hatte, präsentiert er das wohl praktikabelste Modell für die ganzen AfD-Wähler. Denn der Opa ist ein gutes Beispiel, wie man mit Nazi-Sympathisanten trotzdem noch etwas Sinnvolles anfangen kann: Es geht nicht darum, sie zu überzeugen. Es reicht völlig, ihnen die Partei wegzunehmen und mit Härte klarzumachen, wo sie sich ihre Naziparolen hinstecken können: Nämlich hinten in den Schrank. Wenn man ihnen dann noch die Möglichkeit gibt, ihr Geld zu verdienen, sind die meisten zufrieden und hören auf, das Boot zu versenken, in dem sie selber mitsitzen.


Gratis, aber nicht billig


Verpackt in eine solide gezeichnete und designte Geschichte mit vielen persönlichen Facetten und Anekdoten ist das schon mal erstaunlich. Und von einem kostenlosen Heft gleich doppelt. Band 1 ist bereits erschienen, die weiteren Bände sollen bis zum November folgen.


P.S.: Wo findet man die Hefte? Gratis beim Comic-/Buchhändler, der sie über den PPM-Vertrieb gleichfalls gratis ordern kann. Aber: Verschenk-Comics sind bei manchen Händlern umstritten, das ist wie bei Wirten und Freibier. Wer keinen Händler findet, kann bei Moga-Mobo direkt bestellen. Weil das für den Verlag aufwändiger ist als die Gratisverteilung, sind die Hefte per Post dann allerdings nicht mehr kostenlos.



Sie wollen Ihren Senf dazugeben? Dann hier:


 









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