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Früher war mehr Rumsdibums

Der Italiener Saverio Tenuta gibt mit „Die Maske des Fudo“ ein durchwachsenes Comeback – und macht gerade dadurch um so mehr Lust auf die Vergangenheit


Illustration: Saverio Tenuta - Splitter Verlag

Ich mag Rumsdibums-Comics. Es ist aber nicht leicht, gute zu finden, wenn man schon ein bisschen älter ist als, sagen wir: zwölf. Früher kam man noch mit einem „Buffalo Bill“ Heft klar, aber inzwischen reicht es nicht mehr, dass irgendwer irgendwem anderes nachreitet und dabei schießt. Es muss noch was dabei sein, eine besondere Zutat, so, wie man mit den Jahren plötzlich das Bittere am Bier nicht mehr verabscheut, sondern schätzt. Das kann die Optik sein, die Geschichte, ein Charakter, irgendwas. Deshalb habe ich mich auch so gefreut, dass es Neues von Saverio Tenuta gibt.


Tenuta hat mal einen Mittelalter-Japaner gefrühstückt


Tenuta, 47, ist Italiener und hat offenbar mal einen mittelalterlichen Japaner gefrühstückt, seither schreibt und zeichnet er das, was meine Frau als „so Samuraizeug“ bezeichnen würde. 2010 hat er vier Bände veröffentlicht, die mir extrem gut in Erinnerung geblieben sind. Ich habe mir also „Die Maske des Fudo“ (Splitter Verlag, 14,80 Euro) extra für einen ruhigen Vormittag aufgehoben, eine Tasse Milchkaffee eingeschenkt, aufs Sofa gesetzt, die Folie runtergezupft und dann eine ziemlich konventionelle Geschichte angeguckt, die man genauso gut auch hätte weglassen können.


Ich fand sogar die Zeichnungen nicht mal sonderlich sehenswert. Und dann denkt man sich: Naja, vielleicht haste dich ja getäuscht. Und geht zum Regal um die vier Bände „Die Legende der scharlachroten Wolken“ herauszuholen (alle beim Splitter Verlag erschienen und noch heute erhältlich). Und siehe da: man findet immer noch all das, was den Tenuta von 2010 auszeichnete und was ihm heute fehlt. Und das sind jede Menge Zutaten, die so besonders sind, dass ich auch gern darüber hinwegsehe, dass ich bis heute nicht richtig erklären kann, worum es in der Geschichte eigentlich geht. Weil ich es angesichts dieser Zutaten jedes Mal sofort wieder vergesse.


Ein Dorf bekämpft Schnee und Zauberwölfe


Ich weiß noch, dass die „scharlachroten Wolken“ zwei Schwerter sind. Und dass die Geschichte mit einem abgerissenen, herrenlosen Samurai beginnt, der in eine Dorfkneipe kommt, dort einem Puppenspiel zusieht und sofort in einen Kampf verwickelt wird. Aber schon auf Seite zehn würde man am liebsten zurückblättern, weil man Angst hat, man hätte vor lauter Schauen was verpasst.


Der stilisierte Einstieg mit dem Puppenspiel ist bereits eine schöne Fingerübung mit japanischen Formen, jedes Panel launig durchkomponiert, dann beenden Soldaten abrupt die Vorstellung und wollen die Puppenspielerin verhaften. Sie flieht nach draußen, und dieses Außen ist das, was mir mit am stärksten in Erinnerung geblieben ist: Eine tief vereiste, seit Jahren durchgefrorene Welt, das Dorf ist lähmend verschneit wie das in Kafkas „Schloss“, mühsam wehrt es sich gegen die erdrückenden Schneemassen und gegen riesige Zauberwölfe.


Flokati-Viecher mit blutigen Schnauzen


Auch das ist so eine gelungene Sache: Diese Wölfe sind strahlend weiß und schweben dank ihres an den Kuscheldrachen Fuchur erinnernden Flokatifells ständig in akuter Niedlichkeitsgefahr. Aber Tenuta bannt sie, indem er die Wölfe mühelos Menschen zerteilen lässt und ihre Schnauzen in Eingeweide taucht. Es sind solche geschickt gemachten Details, mit denen sich die „Scharlachroten Wolken“ immer wieder vom Fantasyfirlefanz abheben. Natürlich, „Samuraizeug“ hat immer mit Ehre zu tun und muss nobles Geschwafel liefern, aber wie viele Bösewichte gibt es, die dem Guten einen Arm abhacken, ein Auge ausreißen und sich beides anschließend selbst implantieren? Um mit drei Armen und drei Augen noch unbesiegbarer zu sein? Und das alles natürlich immer und ständig im ewigen Schnee, Tenuta liefert epische Zweikämpfe in klirrendem Weiß und eiskaltem Hellblau und blutigem Rot. Aber nicht nur das.


Abgetrennte Köpfe, neblige Landschaften


Ganzseitige Splashes mit mythischen nebligen Landschaften, aufbrausende rote Pinselmalereien, eindrucksvoll wehende Gewänder, dynamische Kampfszenen in wirbelnden Strudeln aus buntem Laub. Erbitterte Intrigen, zart-grausame Prinzessinnen auf Leichenbergen, abgetrennte Köpfe oder Hände segeln durchs Bild, aber stets ästhetisch durchkomponiert. Seine geschickt verteilten Actionsequenzen schnitt Tenuta 2010 schneller als jeder Meisterkoch und die Geschichte, also, ich hab schon wieder keine Ahnung mehr worum es geht. Ich glaub, der Samurai findet sein Glück oder so, aber das ist mir ehrlich gesagt auch schon wieder wurscht. Ich kann sie ja wieder von vorn lesen.


Die Wolken sind verpufft

Vier Jahre später hat Tenuta eine zweiteilige Folgeserie um seine Wölfe rausgebracht. Er hat nur die Geschichte verfasst, gezeichnet hat’s wer anderes, und ich hab da nicht reingeguckt, weil mir schon auf dem Cover zu viel vom üblichen Junges-Mädchen-reitet-auf-Zauberwolf-Mist mitschwappte. Jetzt, wo Tenuta wieder alleinverantwortlich ist, hab ich mich gefreut. Doch von all dem erstklassigen Qualitätsradau der „Scharlachroten Wolken“ ist nur noch solider Durchschnitt übrig. Schade.


Andererseits: Wenn Sie Tenuta noch nicht kannten, haben Sie natürlich noch die vier grandiosen Bände von 2010 vor sich.


Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.

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