Star-Biographien sind auch in Coronazeiten zukunftssicher: Zu Beethoven, Rembrandt und David Bowie sind gerade drei erschienen – aber nur zwei haben auch was zu sagen
Zufall oder Zukunft? Klar, die Comic-Biographien, die es gerade auf den Markt drückt, wurden alle schon vor Corona begonnen. Trotzdem dürften solche Themen stärker als bisher den Markt bestimmen: Weil keiner so recht weiß, was nach Corona noch wichtig sein wird. Weil Corona selbst schon jetzt langweilt. Und weil daher nur Bereiche zukunftssicher sind, in denen sich wenig ändert: etwa Geschichte. Die ist praktischerweise schon vorbei, ihre großen Namen waren Stars, sind es und werden es bleiben. Leute wie David Bowie, Rembrandt oder Beethoven. Zeitloses Krisenmaterial also – das deswegen aber nicht schlecht sein muss.
Rembrandt: Dickschiff mit Goldschnitt
Das dickste Schiff hierbei ist fraglos „Rembrandt“ von Typex, einem holländischen Illustrator, der im Auftrag des Amsterdamer Rijksmuseums drei Jahre lang an der Comicbiografie arbeitete. Herausgekommen ist ein erfreulicher Band, bei dem weder Gewicht noch Preis noch der scheußlich-schöne Goldschnitt vom Lesen abhalten sollten. Ich wusste übrigens von Rembrandt vorher auch nicht viel mehr als „Goldhelm“, „Nachtwache“ und das Bild, wo der mit dem Hut an der Leiche zupft. Typex versucht klugerweise gar nicht, meine Lücken zu stopfen, er macht stattdessen neugierig. Er erzählt von einem erfolgreichen Maler, der ständig pleite ist, der extra an den Hafen fährt, weil dort ein Elefant angeliefert wird, um ihn aus erster Hand zu zeichnen. Typex zeigt verknautschte Gesichter in wundervoller Vielfalt, lebenspralle Wirtshausszenen und immer wieder Dialoge, Landschaften, Ansichten in einem nüchternen, modern-filigranen Stil, so dass nach wenigen Seiten klar ist, dass er Rembrandts Portfolio an Techniken nutzt und den Stil imitiert. Die Frage „Was ist Rembrandt, was ist Typex“ lockt geschickt ins Internet, wo wenige Klicks genügen, um diese Stile wieder zu finden, etwa auf dem (mir vorher unbekannten) Hundertguldenblatt. Ein Band, der unterhält und Lust macht zum Weiterstöbern – schon mal kein schlechter Anfang. Es kommt aber noch besser.
Beethoven: wunderbar widerliche Abrechnung
Obwohl Peer Meter mit „Beethoven“ keine richtige Biografie geschrieben hat. Meter, der schon prima Szenarien für „Haarmann“ und vor allem „Gift“ lieferte, macht aus Beethovens Tod und seiner Beisetzung in Wien eine wunderbar-widerliche Abrechnung mit den Leuten an sich und dem Promikult samt Wien im Besonderen. Die Story entstand, als Meter erfuhr, dass dem toten Beethoven der Schädel fehlt, und nicht nur der. Meter bastelt nun die Geschichte dazu: Wie noch auf dem Sterbebett jeder ein Autogramm will (dauert doch nicht lang, unterschreiben wird er dieses Notenblatt wohl noch können). Wie jeder eine Locke erbettelt, in die Wohnung reinschauen möchte, obwohl zugleich auch jeder denkt, der Meister sei längst nicht mehr so gut wie früher, aber, naja, berühmt sei er halt schon noch. Wie ihn jeder am besten gekannt hat, jeder eine wirklich, wirklich wahre Geschichte erzählen konnte, das ist schon sehr schön fies aus Echtem und Erfundenem zurechtkomponiert. Was der Geschichte dabei gut tut, ist die Abwesenheit von jeglichem Fan-atismus. Es ist unmöglich zu sagen, ob Meter Beethoven mag, deswegen kann er die Elemente umso rücksichtsloser zum Nutzen der Story einsetzen. Die Zeichnungen von Rem Broo sind nicht so meins, was die Figuren angeht, ist aber Geschmackssache – die Einblicke in den Schmutz und die Unerfreulichkeit von Beethovens Ableben sind in jedem Fall schön abstoßend. Wer schimpfen will: Meter kann nicht gut Dialekt, mag’s aber auch nicht völlig lassen, sein Kompromiss stört manchmal, aber vielleicht nur mich. Richtig gut gefallen hat mir „Beethoven“ trotzdem. Jedenfalls mit Abstand mehr als „Bowie“ von Michael Allred.
Bowie: hanebüchen brav
Über Reinhard Kleists „Nick Cave“ habe ich noch gequengelt, weil man da zuviel selber Fan sein müsste. Aber Kleist wagte eine Interpretation und bot damit Fans in seinem typischen Stil etwas Neues, Eigenwilliges an. Was Michael Allred zusammenschustert, ist nicht mehr als eine 200 Seiten lange Zeitleiste, geradezu hanebüchen brav illustriert. Wenn Bowie mal wen wo getroffen hat, dann sieht man exakt das: Bowie auf einem Bild mit wem anders. Bowie trifft Marc Bolan und sagt, na was wohl? Genau: „Ah, hey, Marc.“ Und so quält sich das dahin, jedes Plattencover und jedes bekanntere Foto, jeder TV-Auftritt wird so dröge abgezeichnet, das man aus dem Gähnen nicht mehr rauskommt. Das Ziel ist das simple Wiedererkennen der Bilder, die man eh im Kopf hat – und wer sie nicht im Kopf hat, will die Originale meist nicht sehen, so hölzern wird da herumgestolpert.
Aber okay: „Two out of three ain‘t bad”, wie mal wer gesungen hat, der auch biographietauglich wäre. Im Dezember war er schon mal bei der German Comic Con.
Erstmals erschienen bei Spiegel Online.