"Walking Dead" made in Germany, Teil 4: "Zombie-Terror", die unterhaltsam-eigenwilliger Mix aus Parodie und Hommage mit brandaktuellen Anspielungen.
Wieder mal Zombies. Wir erinnern uns, die These war: Etwas Besseres als den Tod finden wir überall, bzw. etwas Besseres als „The Walking Dead“, Robert Kirkmans dröge TV- und Comic-Endlosschleife.In drei Folgen haben wir bereits Besseres gefunden, deutsche Qualitätsprodukte, und auch in Folge vier wird man nicht enttäuscht, obwohl – diesmal ist es komplizierter. Wir sind im Trash-Bereich, die Serie heißt dementsprechend plakativ „Zombie-Terror“. Soeben ist Band 6 erschienen, mit dem sehr schönen Untertitel „Kaiser Dennis dreht durch!“
Der Verleger zeichnet selbst
Sie möchten jetzt wahrscheinlich wissen, wer Kaiser Dennis ist, und als ordentlicher Journalist beantworte ich lieber einfach mal was anderes: Nämlich was es mit dem verantwortlichen Verlag Weissblech-Comics aus Schönwalde auf sich hat. Der hat erst vor kurzem mit der Neuauflage der „Kranken Comics“ Verdienste erworben, aber das eigentliche Kerngeschäft des Hauses sind Eigenproduktionen, im wahrsten Sinne des Wortes. Gezeichnet und entwickelt werden sie zu circa 85 Prozent von Levin Kurio, dem Verleger.
Sie heißen „Horror-Schocker“, „Captain Berlin“, „Kala, die Urweltamazone“ oder auch „Welten des Schreckens“. Der Schriftzug wabert mit Buchstaben aus Wellenlinien, trieft blutig, die Cover zieren Totenköpfe oder Maden in Augenhöhlen, und es wimmelt von Schlagzeilen wie „Gefangen in einer Welt der Untoten!“ oder „52 Seiten untote Schrecken!“ Das klingt nach alten Comics der 70er, wie „Gespenster Geschichten“, wie „Buffalo Bill jagt die Todesbande!“, und es klingt nach Titeln vom Bahnhofskino. Das soll es auch, denn Kurio mag den Begriff „Trash“ nicht, er bevorzugt „B-Movies“.
Verborgene Qualitäten wiederbelebt
Das hat seine Berechtigung: Denn wohlwollender Spott über die Albernheiten der Comics seiner Jugend ist nur ein Teil von Kurios Zutaten. Mindestens genauso wichtig ist offenbar immer auch die Sehnsucht des 41-Jährigen nach der Faszination von früher – und damit das Wissen, dass der Mist von einst auch Qualitäten gehabt haben muss. Jene Qualitäten finden sich inzwischen auch in seinem eigenen Werk. Seit über 25 Jahren betreut Kurio all diese Reihen selbst, liefert regelmäßig und zuverlässig neues Material, auch notgedrungen, weil der Bahnhofsbuchhandel eben ständig neue Sachen fordert. Bei diesem Ausstoß ist es beinahe zwangsläufig, dass ihm auch Ideen kommen, die ihm zu schade fürs Verulken sind. Bei den Zombies ist das am auffälligsten.
Variantenreich, handwerklich gut gemacht
Anders als bei den anderen Serien erzählen sie keine einzelnen Episoden, sondern eine fortlaufende Geschichte. Von der Parodie ist eigentlich nur noch die Covergestaltung übrig, und dass Kurio mit lesbarer Freude eine Gruppe von Reichsbürgern als brandaktuelle Bösewichte einbaut.
Ansonsten finden sich jedoch immer öfter Elemente, die handwerklich gut gemacht sind. Wenn beispielsweise ein Abenteuer nicht sturheil mit dem Hauptdarsteller beginnt, sondern mit einer futtersuchenden Ratte. Dass der verwitterte Held der Geschichte nicht die üblichen Komparsen einsammelt, sondern eine hilflose, weil blinde Blondine (bei der Kurio auch auf die sonst gern absurd prallen Brüste verzichtet). Für die vernachlässigte Parodie-Abteilung hat Kurio dann lieber eine neue Serie aus dem Boden gestampft: „Zombieman“, den „Rächer der lebenden Toten“, der mit einem „Z“ auf der Brust einen Sheriff verprügelt, der dem „Walking Dead“-Helden Rick Grimes verdächtig ähnlich sieht.
Keine Supertalent, aber ein ehrgeiziger Selbstverbesserer
Das Ergebnis ist eine mittlerweile erstaunlich routiniert und professionell arbeitende Wundertüte: Sicher, manche Idee ist banal, aber nicht banaler als in den Comics von einst. Dafür ist manches ganz schön gewitzt, und mit den Zeichnungen ist es nicht anders. Kurio ist kein Jahrhunderttalent, aber ein fleißiger Arbeiter und ehrgeiziger Verbesserer. Das Ungelenke, das an frühe Marvelhefte erinnert und für die Parodie gut geeignet war, ist ständig auf dem Rückzug. Mittlerweile haben manche Panels beinahe schon was Robert-Crumbhaftes, einige Seiten, wie etwa das verregnete zweite Kapitel von „Zombieman“, geraten fast schon zu perfekt.
Da wird’s dann allmählich kompliziert: Je besser Kurio wird, desto mehr gerät er mit dem romantisch-nostalgischen Billigcharme ins Gehege, der ja das ganze Projekt so einzigartig macht. Gerade, wenn man die alten „Gespenster Geschichten“ aufschlägt, findet man ja hinter dem aufwändigen Cover oft einen Zeichenstil, der gruseliger ist als die eigentliche Geschichte – zu gut darf man also nicht werden. Wie Kurio den Widerspruch löst, verspricht mindestens so viel Spannung wie die Zombiestories selbst. Seltsam? Aber so steht es geschrieben.
Zombie-Terror, Weissblech Comics, Bände 1-6, je 4,90 Euro. Zombieman, Weissblech Comics, Band 1, 4,90 Euro
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.
Niedliche Bärchen drucken die versautesten Comics der Welt: Klaus Cornfields grausig gute „Kranke Comics“ erscheinen im Sammelband – ausdrücklich „für keine Altersgruppe empfohlen“
Also, jetzt wird’s richtig heftig. Sogar regelrecht widerlich. Ekelerregend. Aber trotzdem: gut. Und auch sehr, sehr komisch. Okay, das klingt unglaubwürdig, doch ich versichere: Das geht, wenn auch nicht oft. Beispielsweise im soeben vom völlig unerwartet erschienenen Sammelband der „Kranken Comics“ von Klaus Cornfield.
Fix und Foxi auf Koks und Viagra
Der Verlag „Weissblech Comics“ hat die in den 90ern veröffentlichten acht Hefte wieder herausgebracht, das nie erschienene neunte Heft und ein paar Bonusspezialitäten dazu geheftet, mit bewundernswerter Risikobereitschaft: Denn rein unternehmerisch muss das Projekt ein Wagnis sein, die „Kranken Comics“ sind nichts weniger als eine grenzenlose Zumutung.
Die Handlung ist dabei immer ähnlich: Die süßen kleinen Verlegerbärchen Fou-Fou und Ha-Ha aus der verträumten Stadt Fürth wollen liebe, langweilige Comics verlegen, wie etwa „Fifi backt Brot“. Leider kauft das keiner, weshalb sie aus Geldnot Geschichten aus dem Leben ihrer bizarren Bekannten drucken müssen. Dazu gehören Leute wie der Schläger Sir Angry, der Pornoproduzent VJ Slam, sein Darsteller Slupi, die Nutte Nini, der Junkie Björn, der Idiot Klobert, der kiffende Schnorrer Bernd, die dämlich-geilen Zwillinge Irmi und Schirmi, Akne-Jürgen und ähnliche Gestalten, ich kenne keinen Comic mit einer gruseligeren Belegschaft. Tja, und dann – wie soll man beschreiben, was dann passiert? Stellen Sie sich vor, man hält Fix und Foxi 72 Stunden lang wach, ernährt sie ausschließlich mit Kokain und Viagra und lässt sie dann los. Aber richtig.
Irrsinn ohne Handbremse
Letzteres ist bedeutend, weil Cornfield viel weiter geht als nur irgendwelche frechen Vögeleien zu pinseln. „Krank“ ist die Mission und Cornfield nimmt sie todernst: Dreckig ist gar kein Ausdruck, nicht nur im übertragenen Sinn: VJ Slams Lieblingsdarsteller Slupi etwa ist alles andere als reinlich, und das zeichnet Cornfield in allen Details, mit Arschhaaren und Klopapierresten. Wenn der Heroinvorrat zur Neige geht, werden die Käfer aus der schimmligen Wand im Mixer verflüssigt und dann gespritzt.
VJ Slams Drogenversteck liegt tief in der enormen Vagina der „hässlichsten Nutte der Welt“. Es gibt keinen Eiterpickel, der Akne-Jürgen nicht im unpassendsten Moment aufplatzt, und ich bin hier noch zurückhaltend. Es wird ohne Unterbrechung gefickt, gepisst, geschissen, Cornfield zeigt, was Hemmungslosigkeit wirklich bedeutet, er löst die Handbremse nicht nur, er schmeißt sie aus dem Fenster, zusammen mit dem Erste-Hilfe-Kasten, dem Sicherheitsgurt und dem Warndreieck. Aber zugegeben, Provokation gibt’s ja öfter – warum sind ausgerechnet die „Kranken Comics“ auch gut?
Überforderung als cleveres Humorrezept
Erstens ist das ganze keine verklemmte „Liebesgrüße aus der Lederhose“-Angelegenheit, denn der ganze nackte Wahnsinn ist trotz seiner Detailtreue als Porno völlig ungenießbar. Zweitens ist Cornfield in seinem Witz genauso erbarmungslos wie in seiner Sudelei: Wenn der süchtigen Hure Nini zu ihrer erneuten Schwangerschaft mit der Nadel im Arm nur einfällt: „Fuck, jetzt darf ich wieder für zwei drücken“, dann kapitulieren bei mir einfach sämtliche Filter im Kopf unter der schier absurden Menge geballten Drecks.
Dazu kommt die Fassungslosigkeit angesichts dieser überbordend kranken Fantasie. Sir Angry lässt Björn seine Schulden abarbeiten, indem er ihn als künstlichen Hasen auf der Windhundrennbahn mit dem seltenen Geräusch „Draufsteck“ anal befestigt. Oder etwas harmloser: VJ Slams Darsteller macht schlapp, also zieht sich VJ eine gewaltige Ladung Koks rein und stellt sich der enormen Aufgabe „99 Cumshots“ zu liefern. Die kommen auch, Panel für Panel liefert Cornfield sie, mit Abspritzgeräuschen wie SUPP, FLENZ, BORAK oder FLECKMACH.
Was ist eigentlich der Cornfield für einer?
Vielleicht liegt es aber auch an diesem unglaublichen Gegensatz: Cornfield, eine höfliche, beinahe zierliche Person, gilt gemeinhin als gutartig und ist auch von normalen Menschen wohlgelitten. Beim durchaus anständigen Jaja-Verlag hat er eben „Pizza für Plüschohren“ herausgebracht, ein kleines, hundertprozentig sexloses Kochbuch der wehleidigen Verlegerbärchen.
Er war in den 90ern Kopf der tadellosen Indie-Kapelle „Throw That Beat“. Und hier findet sich möglicherweise auch der Schlüssel zum Rätsel.
Schon bei „Throw That Beat“ oder auch mit seiner späteren Band „Katze“ (die er beide in gleichnamigen Comics verwurstete), zeigt Klaus Cornfield eine Vorliebe für eine bewusst überspitzte, klebrig-schleimige Niedlichkeit. Vom „Schokoriegel zum Frühstück“ singt er zum Beispiel, oder wie man auf dem Sofa fernsieht und sich dazu einen feinen Kakao macht, also Heimeligkeiten, die in ihrer zuckrigen Konzentration genauso unerträglich wirken wie VJ Slams Salto in den Swimmingpool, über die weltweit einmalige Fleischrutsche aus vierzehn mit Tiroler Nussöl geschmierten Arschbacken. Erst zusammen wird ein sehr lustiger Schuh draus. Aber obacht: Die Bärchen warnen nicht umsonst auf dem Titel: „Für keine Altersgruppe empfohlen“. SCHWOMP! SCHLAWOK! SPRUDOZ!
Klaus Cornfield, Kranke Comics – Das gesammelte Elend, Weissblech Comics, 24,90
Klaus Cornfield, Pizza für Plüschohren, Jaja-Verlag, 6 Euro
Klaus Cornfield, Luna + Luno, Gesammelte Streiche, Jaja-Verlag, 14 Euro
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.