„Trip mit Tropf“ wird bejubelt - bei Erwachsenen und hier im Blog: Aber Julia (11) sieht die Sache irgendwie ganz anders ...
Habe ich nicht gerade noch ein Loblied auf „Trip mit Tropf“ gesungen? Wie übrigens auch der recht bekannte Comic-Experte Ralf König? Eine direkte, freche, lustige und rührende Geschichte um ein todkrankes Karnickel, das mit einem Wolf, einem Tropfer und den dazugehörenden Chemotherapiebeuteln vor den Jägern fliehen muss? Und was hab ich mich still vorgefreut, als ich Julia den Band gegeben habe, weil ich’s für was wirklich Besonderes halte. Ich habe nichts dazugesagt, außer: „Ist diesmal keine Episoden-Story, sondern eine längere Geschichte.“ Aber Julia fragt nach dem Lesen als Erstes: „Was ist ein Tropf?“
Was tun, wenn die Urangst fehlt?
Es stellt sich tatsächlich heraus, dass Julia nicht weiß, was ein Tropfer ist. Und das ist nicht die einzige Frage, die sie hat: Auch das Konzept einer Chemotherapie kennt sie (was mit elf durchaus vorkommen kann) nicht. Und das, obwohl Julia gründlich gelesen hat und alles mitkriegt. Sie weiß, dass der Wolf das Kaninchen wegen der Medizin nicht fressen mag. Und sie weiß, dass dem Kaninchen die Haare ausfallen. Aber sie versteht nicht, warum. Die gesamte Urangst, die man als Erwachsener vor dem Krebs hat, hat Julia nicht.
Ich erkläre ihr die Sache mit der Chemotherapie. Und als dann immer noch nicht klar ist, worum es geht, spreche ich das aus, was der Comic doch so geschickt nur andeutet: „Dass das Kaninchen extrem krank ist und wahrscheinlich Krebs hat.“ Julia sieht mich verstört an und sagt: „Echt??“
Das Dunkle lauert darunter
Bricht damit das ganze Konzept des Comics zusammen? Einerseits ja, aber andererseits bekommt Julia sehr wohl mit, dass da irgendwas Unangenehmes passiert. Da sind sehr witzige Stellen dabei, aber Julia merkt genau, dass etwas Dunkles darunter liegt. Dass der Wolf dem Kaninchen eine Mütze schenkt, weil er mitkriegt, dass das Kaninchen sich für seine Glatze schämt, das findet sie nett vom Wolf – aber es verstört sie, dass damit offenbar noch lange nicht alles gut ist.
Offenbar macht genau das die Geschichte für Julia unbeherrschbar: Die Gefahr ist da, aber sie kann sie nicht einschätzen. Und darum weiß sie auch nicht, ob der Wolf lustig ist oder letztlich nicht doch eher hilflos. Was der Wahrheit vermutlich sogar ziemlich nahe kommt.
Was hilft, sind „Pommes!“
Zeichnerisch, erzählerisch klappt hingegen vieles: Es freut mich, dass Julia zwei Stellen herauspickt, bei dem Josephine Mark bewusst langsam erzählt. Die Technik haut hin, die sensible Botschaft kommt durchaus an. Aber als wir drüber reden, was Wolf und Kaninchen wohl künftig machen, und ob sie das lesen wollen würde, da sagt Julia: „Eher nicht.“
Die beste (weil lustigste) Stelle: Wie der Wolf das Kaninchen fragt, was es grade denkt. Und wie sich beide lange angucken und nichts sagen, und dann erst antwortet das Kaninchen: „Pommes!“
Die niedlichste Stelle: Wo Wolf und Kaninchen nachts durch den Schnee stapfen und der Wolf dann das Kaninchen trägt
Julias Entscheidung
Auch „Trip mit Tropf“ ist eindeutig kein Kandidat für den Titel. Also fangen wir von unten an. Rasch zeigt sich: An „Boris, Babette“ kommt die Fabel nicht vorbei, der Gegner ist also „Willkommen in Oddleigh“. Julia blättert nochmal in der britischen Gruselgeschichte, findet ein sehr schönes liebes Gedicht, das sie sofort vorliest. Und dann meint sie...
1. Alldine & die Weltraumpiraten
2. Zack!
3. Boris, Babette und lauter Skelette
4. Trip mit Tropf
5. Willkommen in Oddleigh
6. Karl der Kleine: Printenherz
7. Superglitzer
... wird natürlich fortgesetzt
Sie wollen Ihren Senf dazugeben? Dann hier:
„Willkommen in Oddleigh“ erwischt mit Mysteriösem und mildem Grusel einen Traumstart bei Testerin Julia (11). Aber dann klappt nicht alles...
Es wird übersinnlich und britisch: Im Polizeirevier von Oddleigh in der englischen Provinz kriegen Kater-Polizist Sid und seine Chefin, die Ratte Jessie, von Autorin Tor Freeman vorzugsweise fantastische Fälle zugeschustert. Sie finden eine geheimnisvolle Raupensekte, müssen einen wiederauferstandenen Flugsaurier verfolgen oder eine Nacht in einem Spukhaus verbringen. Gerade diese letzte Episode gibt dem Comic eine angenehme, fast schon edgar-wallace-artig altmodische Note. Oder manchmal auch überraschenderweise nicht.
Die angebetete Dörrpflaume
Schon die zweite Episode ist eine ziemlich bissige Religionssatire: Eine Sekte von Raupen betet einen Kokon an, der eines Tages zum Schmetterling werden und „alle vernichten“ wird. Dafür verzichten die Gläubigen auf ihre eigene Metamorphose mit einer recht brachialen Methode: „Wir defibrillieren unsere Hormonsäcke“. Bei der pathetischen Anbetung stellt sich heraus: Der Kokon ist kein Kokon, sondern nur eine Dörrpflaume – weil der echte Kokon irrtümlich in eine Schüssel mit Kuchenteig fiel und mitgebacken wurde. Skurril, sag‘ ich mal. Nicht der Hammerbrüller, aber es wirft doch einige recht erwachsene Fragen auf, und da frag ich mich schon, was Julia wohl davon hält.
Zunächst: Julia mag das Episodenhafte. Bisher findet sie verschiedene kürzere Geschichten angenehmer als eine längere. Und die Sache mit der Nacht im Spukschloss ist für sie sogar die beste Episode von allen: Die Aufgaben, die die beiden bewältigen müssen – das Rätsel der Krähe lösen oder das wimmernde Wiesel trösten. Aber die Sache mit den Raupen ist ein schwerer Tiefschlag. Was wollen die überhaupt? Wieso wollen die keine Schmetterlinge sein? Was ist „defibrillieren“? Und nicht mal das mit der Dörrpflaume bringt einen Lacher. Die ganze Story lässt Julia erkennbar ratlos zurück – und untergräbt die Unterhaltungsautorität von Sid und Jessie.
„...wie ein bekloppter Stegosaurus“
Dabei haben die beiden eindeutig Unterhaltungswert: Julia löst im Extrateil hinten das Kreuzwörträtsel, sie kichert, als sie den Drohbrief an Popstar Flynn vorliest: „Du Blödian. Du kaust wie ein bekloppter Stegosaurus.“ Und sie mag auch den Limerick über Joe, der sich auf sein Gebiss setzt. Und trotzdem: Die Sympathie scheint weg zu sein.
Die beste (weil lustigste) Stelle: Wie der böse Geist wegen dem drohenden Sonnenaufgang kopfüber in sein Bild zurückspringt - und deshalb so im Bild bleiben muss, dass man immer nur die Unterhose sieht.
Die niedlichste Stelle:
Wie Jessie sich ganz süß bei Sid bedankt
Julias Entscheidung
„Willkommen in Oddleigh“ ist kein Kandidat für die Tabellenspitze. Also fangen wir von unten an: Vorbei an „Superglitzer“, auch „Karl der Kleine“ wird überholt, der Knackpunkt ist wieder „Boris, Babette“. Die Geisterhaus-Geschichte war offenbar besser, aber die Raupen wiederum sehr deutlich verwirrender. Wie soll man das dann abschließend bewerten?
1. Alldine & die Weltraumpiraten
2. Zack!
3. Boris, Babette und lauter Skelette
4. Willkommen in Oddleigh
5. Karl der Kleine: Printenherz
6. Superglitzer
... wird natürlich fortgesetzt
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„Karl der Kleine“ macht sehr viel richtig: Gute Ideen, Interessantes aus der Regionalgeschichte. Fragt sich nur: sieht Julia (11) das ähnlich?
Erstmals bin ich richtig voreingenommen: „Karl der Kleine“ ist mir einfach sympathisch. Ein Aachener Regionalcomic, der sich aber nicht so liest, als ob ihn die örtliche Tourismuszentrale in Auftrag gegeben hätte. Was daran liegen könnte, dass der kleine Karl Teil einer Serie ist, man also nicht krampfhaft alle Aachener Details in einen Band stopfen muss. Und daran, dass Zeichner Neufred, der tatsächlich Alfred Neuwald heißt, selbst Comic-Fan ist und keine zwangsverpflichtete Grafikagentur.
Aus Granus wird Granini
Sein Serienheld heißt Karl der Kleine, natürlich ein Historikerwitz, weil Karl der Große ja immer noch seinen Thron in Aachen hat. Karl muss mit seiner bärtigen Freundin in die Vergangenheit reisen: Früher hieß sie Granus und war Comicstar, heute aber heißt sie Granini und ist eine Frau, weshalb ihr die alten Comics unangenehm sind.
All das ist natürlich nur ein Vorwand für eine Reise in die Stadtgeschichte, mit einer ziemlich überzeugenden Reiseleitung: Neufred ist ein penibler und erfreulich versierter Zeichner, der Gebäude so gut hinbekommt wie die alte Aachener Pferdebahn, die bunten Autos der 60er Jahre. Ich habe kürzlich in einem namhaften Verlag einen Zeichner am VW-Bully mehrfach jämmerlich scheitern sehen, aber bei Neufred ist nicht nur der Bully eine Freude, sondern auch der VW 1600 sofort erkennbar, oder der Ford Taunus P3.
Seltsam: Was eben super war, ist heute mau
Enttäuschenderweise zündet das bei Julia nicht recht. In Geschichte ist sie erst bei den alten Griechen, weit vorm großen Karl. Die wunderschönen alten Autos, die Bahn, bei der man bergauf mitschieben muss, um dem Pferd zu helfen, die wunderliche historische Figur des Lennet, ein gutgelauntes Stadtoriginal, das vom Eingeladenwerden lebte... all das klappt nicht so recht. Und was bei „Alldine“ noch aufging, Figuren, die wissen, dass sie in einem Comic sind und damit spielen, hier begeistert das Julia weniger. Ist's das Regionale? Wäre München besser? „Mmmh. Ein bisschen“, sagt sie.
Die beste (weil schönste) Stelle:
Wie Granini und Karl in den Comic schlüpfen. Diese ganze Seite begeistert Julia absolut: „Wie die Comicfiguren am Rand der Seite stehen. Und wie die beiden dann reingezogen werden!“
Julias Entscheidung
Es ist klar: Die beiden Spitzenplätze sind ungefährdet. Bei „Boris, Babette“ kommt Julia erstmals ins Grübeln. Lustig ist gut, lustig ist Printenherz schon irgendwie auch, aber es fehlt offenbar das Überdrehte, Aufgekratzte...
1. Alldine & die Weltraumpiraten
2. Zack!
3. Boris, Babette und lauter Skelette
4. Karl der Kleine: Printenherz
5. Superglitzer