Die Outtakes (14): Wanderer aus Norwegen, Kommunisten aus Schweden und Miesepeter aus dem Reich der Tiere
# metoo
Das Thema „Jakobsweg“ scheint seit Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ (2006) immer weiterzugehen. Comiczeichner Jason liefert jetzt mit „Ein Norweger auf dem Jakobsweg“ seine Version dieser Mischung aus Wandern, Selbstfinden und Fasten, und die unterscheidet sich von den ganzen anderen Jakobswandereien erstaunlich wenig. Man muss sich jeden Morgen den Weg erst suchen, weil er so gut/schlecht beschildert scheint wie viele andere Wanderwege. Man begegnet auf den Etappen immer denselben Leuten, nämlich denen, die etwa im selben Tempo unterwegs sind. Und den Langsameren, die man ein-/überholt. Die Dialoge ähneln und wiederholen sich und obwohl Jason das mild-ironisch thematisiert, wird es allein dadurch noch nicht komischer. Und durch den trockenen, schwarz-weißen Stil kommt auch die möglicherweise hübsche Landschaft nicht recht zur Geltung. Aber wer weiß, wenn man das alles selbst mitgemacht und dreizehn andere Bücher dazu gelesen hat, dann wälzt man sich vielleicht am Boden und japst: „Irre! Genauso isses!“
Bepoppte Eigenheime
Schweden in den 70ern. Ulrik und Siv sind verliebt. Siv hat zwei Kinder und steckt noch in einer faden Ehe. Ulrik ist überzeugter Betonkommunist. Kann das gutgehen? Ich will's nicht verraten, aber ich vermute: Je älter Sie sind, desto eher liegen Sie richtig. Was ich sagen kann: Das betrübliche Szenario von Anneli Furmarks „Roter Winter“ ist präzise beobachtet. Die bürgerliche Fassade, die kommunistische Fassade, nichts davon gibt Halt oder Hoffnung. Und Siv grübelt recht treffend über die schwedische Kleinhäuschenlandschaft, dass es womöglich „nur eine Sache gibt“ die das Ganze „am Laufen hält: Dass die Paare darin miteinander schlafen. ... Wenn sie damit aufhören, stehen die Häuser zum Verkauf. An ein Paar, das noch miteinander schläft.“ Bei allem gekonnten Trübsinn hat mich die Geschichte dann zum Schluss doch noch gekriegt. Warum dann Outtake? Vor allem, weil ich mir ein bisschen mehr Erkenntnis für heute erhofft hatte. Scheinheilige politische Sturköpfe in einer wunderlichen Gesellschaft hat die Realität ja ausreichend zu bieten.
Zuckerlieb
Es gibt was Neues von Josephine Mark, der „Trip mit Tropf“erin. Also, teilweise, weil sie den „Bärbeiß“ nur gezeichnet hat, der Text stammt von Jutta Bauer und Annette Pehnt. Die Geschichten sind relativ simpel: In einem asterixniedlich geratenen Dorf leben lauter nette Tiere und das harmoniesüchtige Tingeli. Dann zieht der Bärbeiß ein, in Miesepeter, der alle anraunzt und am liebsten daheim bleibt. Das Tingeli nimmt sich seiner an, und knackt natürlich die harte Schale. Klingt nett, ist aber nicht umwerfend: Schuld ist ein Konstruktionsfehler. Während nämlich das Tingeli so schön unerträglich zuckerlieb ist, weil es Streit nicht erträgt, ist der Titelheld bärbeißig, weil… hm, einfach so. Anders als bei „Trip mit Tropf“ bilden beide keine Zwangsgemeinschaft, sondern könnten die Bemühungen genauso gut einstellen, grade der Bärbeiß käme damit gut klar. Aber: Ist das Kindern wichtig? Da entscheiden vermutlich eher Optik und Lacher, bei beiden kann „Der Bärbeiß“ ordentlich punkten.
Annette Pehnt, Jutta Bauer (Text), Josephine Mark (Zeichnungen), Der Bärbeiß, Kibitz Verlag, 15 Euro
Sie wollen Ihren Senf dazugeben? Dann hier:
Härtetest für Kindercomics (8): „Das unsichtbare Raumschiff“ spart mit Licht, aber nicht mit Gags. Ob Julia (11) das zu schätzen weiß?
Ein umstrittener Band, wie man hört. Man sieht nämlich nicht sehr viel, und das, so verrät der Verleger Sebastian Oehler, hat Einigen nicht gefallen. Aber was soll man zeigen? Denn in „Das unsichtbare Raumschiff“ fliegt ein Raumschiff im Unsichtbarkeitsmodus, und der Modus funktioniert hervorragend. Weshalb die Crew das Raumschiff nicht mehr sieht. Wir sind, alles klar: in einer Komödie, und das Nicht-Sehen ist der Gag von det Janze. Was keine Bestnoten bei Leuten gibt, die ihr Schnitzel vor allem nach der Größe beurteilen. Motto: Lauter schwarze Bilder, so leicht möchte ich mein Geld auch mal verdienen.
Jederzeit angeschmunzelt
Aber, um im Bild zu bleiben: Die Größe des Schnitzels kann hier nicht aus möglichst vielen bunten Bildern bestehen, sondern aus möglichst vielen Pointen: Und liefern Patrick Wirbeleit, Andrew Matthews und Uwe Heidschötter diese Gags? Ja, sogar nicht zu knapp. Sie erfinden eine Menge Probleme für Leute auf einem unsichtbaren Raumschiff, eine Menge Verwicklungen und Wendungen, und auch wenn man als Erwachsener nicht mehr ganz so oft überrascht ist, ist man doch jederzeit schwer angeschmunzelt. Außerdem bin ich ja nicht wirklich die Zielgruppe, oder?
Julia zum Beispiel stört sich an den schwarzen Panels schon mal gar nicht. Sie kapiert sofort, dass man die vier unterschiedlichen Crewmitglieder anhand der Farbe der Sprechblasen identifizieren kann. Sie lacht, weil die Crew den Knopf nicht findet, mit dem man den Unsichtbarkeitsmodus abschaltet, weil ja auch der Knopf unsichtbar ist. Dass sich die Crew im Raumschiff verläuft. Dass Honk den falschen Knopf drückt, nämlich den für die Lüftung, die sofort superstark losbläst, und dann hängt er quer in der Luft und kann sich kaum noch festhalten. Julia beschreibt das Bild genau, was erstaunlich ist, denn dieses Bild gibt es gar nicht: Es ist schwarz, und doch gluckst sie und malt sich alles aus.
Verlaufen im eigenen Raumschiff
Ähnlich zählt sie viele andere Pointen auf, die bei ihr hängengeblieben sind: Wie sie sich in der Kantine verabreden und dann merken, dass sie im Lift sind. Weil's zu eng ist für die Kantine! Und spannend ist die Sache auch, als nämlich die Crew irrtümlich den Knopf für die Selbstzerstörung drückt. Da hat Julia sogar kurz ein bisschen Angst.
Die beste (weil lustigste) Stelle: Wie Honk „Honk!“ sagt. Und der Captain es für seine Offizierin übersetzt: Eine ganz volle Sprechblase. Und noch ein. Und noch eine! Obwohl der doch nur „Honk!“ gesagt hat.
Die niedlichste Stelle: Es ist wirklich sehr dunkel auf dem Schiff.
Julias Entscheidung
Fast schon routinemäßig frage ich nach „Boris und Babette“, aber es zeigt sich schnell: Das mysteriöse Haustier hat keine Chance gegen die fliegende Finsternis. Andererseits ist auch das andere Weltraum-Epos „Alldine“ ungefährdet. Aber schon „Zack!“ wackelt, und zwar ganz erheblich!
Und so...
1. Alldine & die Weltraumpiraten
2. Das unsichtbare Raumschiff
3. Zack!
4. Hugo & Hassan forever
5. Boris, Babette und lauter Skelette
6. Trip mit Tropf
7. Willkommen in Oddleigh
8. Karl der Kleine: Printenherz
9. Superglitzer
... wird natürlich fortgesetzt
Sie wollen Ihren Senf dazugeben? Dann hier:
„Trip mit Tropf“ wird bejubelt - bei Erwachsenen und hier im Blog: Aber Julia (11) sieht die Sache irgendwie ganz anders ...
Habe ich nicht gerade noch ein Loblied auf „Trip mit Tropf“ gesungen? Wie übrigens auch der recht bekannte Comic-Experte Ralf König? Eine direkte, freche, lustige und rührende Geschichte um ein todkrankes Karnickel, das mit einem Wolf, einem Tropfer und den dazugehörenden Chemotherapiebeuteln vor den Jägern fliehen muss? Und was hab ich mich still vorgefreut, als ich Julia den Band gegeben habe, weil ich’s für was wirklich Besonderes halte. Ich habe nichts dazugesagt, außer: „Ist diesmal keine Episoden-Story, sondern eine längere Geschichte.“ Aber Julia fragt nach dem Lesen als Erstes: „Was ist ein Tropf?“
Was tun, wenn die Urangst fehlt?
Es stellt sich tatsächlich heraus, dass Julia nicht weiß, was ein Tropfer ist. Und das ist nicht die einzige Frage, die sie hat: Auch das Konzept einer Chemotherapie kennt sie (was mit elf durchaus vorkommen kann) nicht. Und das, obwohl Julia gründlich gelesen hat und alles mitkriegt. Sie weiß, dass der Wolf das Kaninchen wegen der Medizin nicht fressen mag. Und sie weiß, dass dem Kaninchen die Haare ausfallen. Aber sie versteht nicht, warum. Die gesamte Urangst, die man als Erwachsener vor dem Krebs hat, hat Julia nicht.
Ich erkläre ihr die Sache mit der Chemotherapie. Und als dann immer noch nicht klar ist, worum es geht, spreche ich das aus, was der Comic doch so geschickt nur andeutet: „Dass das Kaninchen extrem krank ist und wahrscheinlich Krebs hat.“ Julia sieht mich verstört an und sagt: „Echt??“
Das Dunkle lauert darunter
Bricht damit das ganze Konzept des Comics zusammen? Einerseits ja, aber andererseits bekommt Julia sehr wohl mit, dass da irgendwas Unangenehmes passiert. Da sind sehr witzige Stellen dabei, aber Julia merkt genau, dass etwas Dunkles darunter liegt. Dass der Wolf dem Kaninchen eine Mütze schenkt, weil er mitkriegt, dass das Kaninchen sich für seine Glatze schämt, das findet sie nett vom Wolf – aber es verstört sie, dass damit offenbar noch lange nicht alles gut ist.
Offenbar macht genau das die Geschichte für Julia unbeherrschbar: Die Gefahr ist da, aber sie kann sie nicht einschätzen. Und darum weiß sie auch nicht, ob der Wolf lustig ist oder letztlich nicht doch eher hilflos. Was der Wahrheit vermutlich sogar ziemlich nahe kommt.
Was hilft, sind „Pommes!“
Zeichnerisch, erzählerisch klappt hingegen vieles: Es freut mich, dass Julia zwei Stellen herauspickt, bei dem Josephine Mark bewusst langsam erzählt. Die Technik haut hin, die sensible Botschaft kommt durchaus an. Aber als wir drüber reden, was Wolf und Kaninchen wohl künftig machen, und ob sie das lesen wollen würde, da sagt Julia: „Eher nicht.“
Die beste (weil lustigste) Stelle: Wie der Wolf das Kaninchen fragt, was es grade denkt. Und wie sich beide lange angucken und nichts sagen, und dann erst antwortet das Kaninchen: „Pommes!“
Die niedlichste Stelle: Wo Wolf und Kaninchen nachts durch den Schnee stapfen und der Wolf dann das Kaninchen trägt
Julias Entscheidung
Auch „Trip mit Tropf“ ist eindeutig kein Kandidat für den Titel. Also fangen wir von unten an. Rasch zeigt sich: An „Boris, Babette“ kommt die Fabel nicht vorbei, der Gegner ist also „Willkommen in Oddleigh“. Julia blättert nochmal in der britischen Gruselgeschichte, findet ein sehr schönes liebes Gedicht, das sie sofort vorliest. Und dann meint sie...
1. Alldine & die Weltraumpiraten
2. Zack!
3. Boris, Babette und lauter Skelette
4. Trip mit Tropf
5. Willkommen in Oddleigh
6. Karl der Kleine: Printenherz
7. Superglitzer