Blast from the Past: Ein Diebesduo aus der Römerzeit zeigt, wie ein kompletter Neustart für den müden Gallier aussehen könnte
Sie wollen wissen, wie „Asterix“ heute aussehen könnte? Also: Ein „Asterix“ für Erwachsene im 21. Jahrhundert, dem klar ist, dass er ohne Uderzos penibel-bissige Optik und Goscinnys Genialität auskommen muss? Es gibt sowas, und ich war hingerissen. Es heißt natürlich nicht „Asterix“, aber es gibt Römer, es gibt einen blonden Gallier, und es spielt in Nordafrika. Der Comic heißt „Die Diebe von Karthago“, erschienen 2015, ist aber nach wie vor lieferbar – und das sollten Sie unbedingt nutzen!
Rettung mit Sexrendite
Szenarist Appollo (eigentlich Olivier Appollodorus, nein, kein Römer) hat die Handlung ins Jahr 146 v. Chr. gelegt, als die von Römern umzingelte Stadt Karthago vor dem Fall steht. Die Diebe Horodamus und Berkan beobachten einen Überfall auf eine Karawane und retten die schöne Tara, weil man sie gut vergewaltigen und zu Geld machen kann. Aber Tara gelingt es, den beiden eine Idee aufzuschwatzen.
Ihr Vorschlag: Man könnte die bevorstehende Eroberung Karthagos nutzen, den dortigen Tempel der Tanit ausplündern und im Chaos das Gold aus der Stadt schmuggeln. Man muss nur in die belagerte Stadt kommen und wieder raus. Da sind wir erst auf Seite 13, und ich weiß schon gar nicht mehr, über was ich mich zuerst freuen soll.
Die überraschende Absurdität des Todes
Die beiden Diebe, einer Gallier, einer Numide, einer schwarz, einer weiß, einer etwas klüger, einer etwas impulsiver, unterhalten sich wunderbar ruppig, frech. Die Farben des (hier schon mehrfach gelobten) Hervé Tanquerelle sind satt, die Perspektiven abwechslungsreich, der Überfall auf die Karawane ist von jener grotesken Härte, die man bei Blain, Sfar, Trondheim findet und die die überraschende Absurdität des Todes oft exakter beschreibt als Nüchternheit.
Zeichnungen und Story sind historisch akkurat, die Dialoge, Handlungen, Motive schlüssig, und dann packt Appollo in die antike Härte auch noch den Heist-Twist vom genialen Raubüberfall gegen jede Wahrscheinlichkeit. Das Beste daran: Alles geht auf! Denn aus alldem hätte auch ein schauriger Kessel Buntes werden können, der nichts richtig durchhält und vor jeder Konsequenz zurückscheut.
Bitterer Humor ohne Zaubertrank
Aber Appollo jongliert mit allen Bestandteilen so unglaublich sicher, dass man sich seinem gallebitteren Humor anvertraut und gefesselt dabeibleibt, auch wenn er die Schrauben dann immer erbarmungsloser anzieht. Und er zieht sie an, mein lieber Schwan. Denn hier gibt es keinen Zaubertrank, der irgendwas zu einem vergnüglichen Spaß abmildern könnte, bei dem man Helmchen zählt. Hier zählt das Recht des Stärkeren und manchmal das des Clevereren.
Hauptantrieb der Story bleibt das Tempelgold, aber immer wieder zeigt Appollo, dass Soldaten und Söldner nicht nur potentielle Mörder, sondern auch potentielle Vergewaltiger und Kriegsverbrecher sind. Zudem gehört die Eroberung des beinahe wehrlosen Karthago mit zum Übelsten, was die Römer sich so geleistet haben. Tanquerelles Kunst macht das Ganze ansehnlich und kaum erträglich zugleich. Kreuzigungen in glühender Sonne, nächtliche Angriffe im Fackelschein, opulent und abstoßend, aufregend und beängstigend. Und zwei Helden samt Heldin, um die man richtig Angst haben muss.
Antiker Blockbuster
Wie’s ausgeht, sag ich natürlich nicht. Aber wer eine grobe Ahnung davon bekommen möchte, wie ein relaunchter Asterix aussehen könnte, der mit den alten Bänden eben nicht direkt konkurriert, sondern etwas Neues hinzufügt. „Die Diebe von Karthago“ zeigen es in einem brillanten Krimiactiondrama. In Blockbusterqualität.
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Ausflug in die Vergangenheit? Bildstarker Ägäis-Urlaub? Judith Vanistendaels Coming-of-age-Comic „Atan von den Kykladen“ vereint beides
Manchmal ist weniger mehr: Eine schlichte Geschichte über einen schlichten Jungen, der schlicht erwachsen wird. In einer vergleichsweise schlichten Welt: Griechenland, vor viereinhalbtausend Jahren. Und nein, es führt grade mal keiner Krieg, es wird auch nicht mythisch-mystisch. Eigentlich wird nur getöpfert, gemeißelt und geschmirgelt in Judith Vanistendaels „Atan von den Kykladen“.
Kleine Momente - große Wirkung
Vanistendael mag ich, seit sie mit „Als David seine Stimme verlor“ eine bewegende Sterbebegleitung in Comicform hervorgezaubert hat. Was damals gefiel: Die Belgierin blies nichts auf, war aber trotzdem nie langweilig, weil sie geschickt auf die kleinen Momente achtete. Und letztlich ist das auch die Methode, die „Atan von den Kykladen“ so überzeugend macht. Atan ist irgendwo zwischen 14 und vielleicht 17, und seine Eltern haben bemerkt, dass er beim Töpfern nicht nur geschickte Finger hat, sondern auch recht gute Ideen. Also schicken sie ihn nach Naxos in die Lehre, in die Marmorwerkstatt von Meister Dario.
Mehr braucht es eigentlich auch nicht: Wir sehen Atan beim Lernen zu und erfahren nebenher selber ein bisschen was. Wie man so lebte im Griechenland der bronzezeitlichen Kykladenkultur. Wie man zerbrochene Figuren repariert. Wie man Farben mischt. Wie sich Kunst verbreitet und gefeiert wird. Es ist sowas wie eine „Sendung mit der Maus“, aber charmant an Atan entlang erzählt und einfallsreich illustriert.
Sonniges Weiß, kühles Blau
Vanistendael lässt die Bilder harmonisch ineinander übergehen, taucht alles in diese schöne Kombination aus sonnigem Grellweiß und kühlem Meerblau, die einem manchmal so abgedroschen vorkommt, die sich aber doch immer wieder als entspannend-frisch herausstellt. Zumal die 49-Jährige hier vorwiegend große Panels einsetzt, auf denen sie die lesenden Augen sanft spazieren führt. Tatsächlich taucht man in ihr Griechenland ein wie in eine schöne Schüssel Joghurt mit Honig und Walnüssen. Klingt nicht nach viel, aber das muss man erst mal hinbekommen.
Die Inspiration zum Comic stammt von echten Figuren im Pariser Louvre, die natürlich im Making-of-Teil des Comics abgebildet sind. Wer hingegen mehr von Judith Vanistendael selbst sehen, wissen und hören will: Süddeutsche Comicfans können sie am 16. April gratis im Münchner HP8 erleben. Und wer weiß, vielleicht kriegt Vanistendael bis dahin sogar mal einen Eintrag in der deutschen Wikipedia.
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Härtetest für Kindercomics (12): „Idefix und die Unbeugsamen“ nenne ich berechnend zusammenkopiert – aber Julia (11) sieht das gaaanz anders
Albert Uderzo lebt wieder, und er heißt Jean Bastide: Im ersten Band des Kindercomics „Idefix und die Unbeugsamen“ zeichnet er eine der drei Episoden so originalgetreu, dass man sich fragt, wieso man die Hauptserie zehn Jahre lang von Didier Conrad vollmalen ließ. Aber das war's schon mit den positiven Überraschungen – für mich.
Grautvornix als Justin Biermann
„Idefix“ ist ein reines Industrieprodukt, Risiko und Nebenwirkung einer TV-Serie. Die Episoden sind aus Asterix-Bestandteilen so zurechtgeschraubt, dass sich der niedliche Hund verwursten lässt. Nur optisch, wohlgemerkt: Denn während Idefix classic bei Asterix eine Kommentarfunktion hat, übernimmt er hier Detektivaufgaben und Verfolgungsjagden, Idefix goes Paw Patrol. Was ihn leider recht austauschbar macht.
Das wird auch nicht besser, wenn man sinnfrei das Personal klassischer Alben einbaut. Amnesix ist wieder geheilt, Grautvornix ist jetzt ein Mix aus Wolf Biermann und Justin Timberlake – eine Funktion jenseits der Wiedererkennung für kaufende Eltern haben beide nicht. Die Römerhunde sind als beliebig überwindbare Gegenspieler so lieblos zusammengeklebt wie der Rest des Settings: Idefix und seine Freunde wohnen nun in Lutetia. Warum? Egal. Dort lebt jetzt auch Majestix mit seiner Frau. Aber nicht in seinem Haus, das mitten in Lutetia leer steht und von den Hunden bewohnt wird. Als Dreingabe werden ganze Szenen wie der Stierkampf aus „Asterix in Spanien“ 1:1 kopiert. Haben die keine Angst, dass Julia den Band kennt?
Süß, süß, süß
Tatsächlich wundert Julia sich auch über das leere Haus. Doch damit endet unsere Gemeinsamkeit, aber sowas von! Und da reden wir noch nicht mal von den unterschiedlichen Zeichnerqualitäten. Der Umzug nach Lutetia ist völlig egal, wer Idefix füttert, auch. Majestix macht hier wohl Urlaub, das stört keinen großen Geist. Idefix ist süß, seine Freunde wie Turbine oder Dertutnix ebenfalls. Süß sind übrigens auch die Römerhunde. Einen leichten Tadel erntet allenfalls Sardine, die faucht nämlich immer nur.
Die beste (weil lustigste Stelle): Wie der Uhu Weissnix die wirren Zaubertränke zusammenrührt (Himmel, das Kind kennt doch den „Kampf der Häuptlinge“!)
Die niedlichste Stelle: Die Römerkatze trinkt (Seite 29)
Julias Entscheidung
Also gut: Diesmal hat „Die schreckliche Adele“ nichts zu befürchten, der letzte Platz bleibt ihr vorerst. Aber als auch „Hugo und Hassan“, sogar „Zack!“ locker überholt werden, frage ich Julia, ob ihr denn Idefix lieber ist als die Originalalben mit Asterix. Sie denkt kurz nach und sagt dann: „Ja.“ Ab da schwant mir Finsteres...
1. Idefix und die Unbeugsamen
2. Alldine & die Weltraumpiraten
3. Das unsichtbare Raumschiff
4. Zack!
5. Witches of Brooklyn
6. Hugo & Hassan forever
7. Boris, Babette und lauter Skelette
8. Hände weg von unserem Wald!
9. Trip mit Tropf
10. Willkommen in Oddleigh
11. Karl der Kleine: Printenherz
12. Superglitzer
13. Die schreckliche Adele