Lustlose Zeichnungen, schiefe Vergleiche und Gags, die man erklären muss – wie Star-Cartoonistin Liv Strömquist mit ihren Bestsellern die Frauenbewegung sabotiert
Nie hätte ich gedacht, dass man Frauen heute noch so behandeln darf. Dass man ihnen Sachen so erklärt, als wären sie etwas zurückgeblieben. Dass man sie mit schiefen Argumenten abspeist und glaubt, sie würden es nicht merken. Dass man ihre Möglichkeit zum eigenverantwortlichen Handeln einfach ignoriert – kurz: dass man sie so behandelt wie es Liv Strömquist tut.
Vielleicht erwarte ich das Falsche: Cartoons mit Witz
Die 41-Jährige ist eine schwedische Feministin, Cartoonistin und Bestsellerautorin, jedenfalls im Comicmaßstab. Ihre Bände „Der Ursprung der Liebe“ und „Der Ursprung der Welt“ verkaufen sich tüchtig, sie wurde gelobt („sehr witzig“/RBB, „hinterfotzig“/NZZ), auch hier und hier bei Spiegel Online („überzeugende Witzarbeit“). Jetzt erscheint ihr dritter Band „I’m Every Woman“. Nach der Lektüre bin ich enttäuscht, gelinde gesagt. Aber vielleicht erwarte ich auch das Falsche. Zum Beispiel Cartoons, die a) witzig sein sollten, womöglich sogar durch b) die Zeichnung.
Ich gebe zu, dass weder a) noch b) leicht fallen, wenn der Cartoon darin besteht, dass man entweder eine Figur zum einer randvollen Sprechblase stellt oder die Figur lieber gleich ganz weglässt, um eine handschriftliche Bleiwüste zu drucken. Es kann aber auch daran liegen, dass Strömquist erhebliche Probleme mit dem Konzept von „Humor“ hat. Wie erklärt sich sonst ihr Simpsons-Cartoon?
Erkennt Strömquist Satire, wenn sie davorsteht?
Die „Simpsons“ karikieren seit 30 Jahren die Ehe von Marge und Homer. Ein fetter, träger Depp ignoriert seine Frau, die deutlich cleverer ist als er, weshalb der Zuschauer sofort denkt: „Das ist nicht okay.“ Und Strömquist? Sie zeichnet Homer und Marge mit vertauschten Rollen: Marge sitzt fett auf dem Sofa, ein sportlich-schlanker Homer muss ihr Bier holen und das Kind hüten. Sinn ergibt das nur, wenn Strömquist den Simpsons-Machern unterstellt, sie hielten diese Ehe für vorbildlich. Kann doch nicht sein.
Oder?
Nun ja. Strömquist glaubt auch, dass man Witze erklären muss. Eine Cartoonserie von ihr schreibt tierisches Verhalten Menschen zu: Nachts geil schreien, bis ein Sexpartner kommt. Oder eigene Kinder anderen vor die Tür legen. Muss man Katze oder Kuckuck dazu schreiben? Strömquist muss.
Waren die Eagles wirklich im Hotel California?
Doppelbödiges kennt sie nicht. Strömquist reiht auch Sting in die Liste der „unsäglichsten Lover der Weltgeschichte“, weil „Every Breath You Take“ Stalker ermutigt. Glaubt Strömquist wirklich, dass jede/r alles meint, was er/sie in der ersten Person singt? Waren die Eagles echt im Hotel California? Nee, oder? Aber wenn sie das nicht glaubt, was bleibt dann von dem Gag übrig? Okay, witzarme Cartoonisten gibt’s öfter. Aber bissige, überzeugende Argumente kann man schon erwarten, nicht wahr? Leider hat Strömquist gerade die nicht im Repertoire. Stattdessen gibt es Windschiefes im Dutzend billiger.
Arschloch findet Frau, die bei ihm bleibt – wer ist schuld?
Die übrigen 19 Seiten der „Unsägliche-Lover“-Story etwa: Marx, Munch, Picasso, Strömquist zählt Egoisten auf, die sich wohl auch arschlochmäßig verhalten haben. Kann man tadeln, muss man tadeln, aber – im Gegensatz zu ihrer Whitney Houston/Bobby Brown-Story – unterstellt hier nicht einmal Strömquist selbst diesen Ärschen, die Frauen gezwungen zu haben, sich so behandeln zu lassen. Wenn aber die Frau jederzeit aufstehen und gehen könnte, dann bleibt vom „unsäglichsten Lover der Weltgeschichte“ nur noch ein Arsch, der eine Dumme gefunden hat. Man könnte also auf dieser Basis mit derselben Berechtigung die Liste der „Dümmsten Geliebten der Weltgeschichte“ erstellen.
Exakt auf diese wacklige Argumentation hat sich Strömquist im neuen Band leider spezialisiert. Wir kriegen dasselbe von Elvis Presley erzählt, von Jackson Pollock, John Lennon oder von Stalin. Und sogar bei Stalin belegt Strömquists Schilderung nichts weiter als dass der Fall erledigt ist, sobald man den Arsch sitzenlässt. Warum sie nicht einfach bessere Beispiele sucht? Es liegt nahe, dass es ihr wichtiger ist, Promis postmortal einen reinzuwürgen als stringent zu argumentieren. Denn Trug- und Scheinschlüsse ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr Werk.
Strömquists Skandal: Formwandler wählt falsche Form
Sie findet, dass Modekonsum Ausbeutung ist: Teures T-Shirt hier gleich ausgebeutete Arbeiter dort. Ist das so? Nö: Das Problem ist nicht das Shirt, sondern dass die Arbeiter keine angemessenen Löhne kriegen. Eigentlich könnte niemand das besser wissen als eben – eine Frau. Aber Strömquist schimpft auch, dass Barbamama feminin gerundet ist, Barbapapa hingegen ein Klumpen. Ja, die zwei aus der Trickserie. Wo ist der Sinn des Vorwurfs, wenn die Zauberfiguren mit einem Fingerschnippen jede Form annehmen können? Sicher, man kann den Körperkult kritisieren – aber wieso mit Protagonisten, die ihre Optik so mühelos wechseln wie ein Chamäleon die Farbe?
Übertreibe ich? Möglich. Es tut einfach in der Seele weh, wenn eine gute Sache so lausige Fürsprecher hat. Und Strömquist ist Wiederholungstäterin. Im „Ursprung der Liebe“ kritisiert sie über zig Seiten, wie die Menstruation verteufelt wurde. Nicht mit simplem Verweis auf die Natur, sondern indem sie anführt, wie oft die Menstruation als gute Magie verehrt wurde. Dass die Magie des einen auch nichts anderes ist als die Hexerei des anderen – scheißwurscht. Kann sein, dass Strömquist so sehr an ihre Sache glaubt, dass sie davon ausgeht, automatisch Recht zu haben. Aber dann argumentiert sie genauso schlampig, beliebig und selbstgefällig wie jeder 90-jährige Landrat der CSU.
Argumente wie von einem CSU-Landrat
Okay: Warum sollten Frauen sich mehr Mühe geben als Männer?
Weil Männer ihre Gleichberechtigung schon haben. Und weil Frauen daher starke Verbündete gut brauchen könnten: Ideenreichtum etwa, Charme oder souveräne und witzige Überzeugungskraft.
Bedeutet: So lange Frau Strömquist dran arbeitet, haben Männer wenig zu fürchten.
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.
"Walking Dead" made in Germany, Teil 4: "Zombie-Terror", die unterhaltsam-eigenwilliger Mix aus Parodie und Hommage mit brandaktuellen Anspielungen.
Wieder mal Zombies. Wir erinnern uns, die These war: Etwas Besseres als den Tod finden wir überall, bzw. etwas Besseres als „The Walking Dead“, Robert Kirkmans dröge TV- und Comic-Endlosschleife.In drei Folgen haben wir bereits Besseres gefunden, deutsche Qualitätsprodukte, und auch in Folge vier wird man nicht enttäuscht, obwohl – diesmal ist es komplizierter. Wir sind im Trash-Bereich, die Serie heißt dementsprechend plakativ „Zombie-Terror“. Soeben ist Band 6 erschienen, mit dem sehr schönen Untertitel „Kaiser Dennis dreht durch!“
Der Verleger zeichnet selbst
Sie möchten jetzt wahrscheinlich wissen, wer Kaiser Dennis ist, und als ordentlicher Journalist beantworte ich lieber einfach mal was anderes: Nämlich was es mit dem verantwortlichen Verlag Weissblech-Comics aus Schönwalde auf sich hat. Der hat erst vor kurzem mit der Neuauflage der „Kranken Comics“ Verdienste erworben, aber das eigentliche Kerngeschäft des Hauses sind Eigenproduktionen, im wahrsten Sinne des Wortes. Gezeichnet und entwickelt werden sie zu circa 85 Prozent von Levin Kurio, dem Verleger.
Sie heißen „Horror-Schocker“, „Captain Berlin“, „Kala, die Urweltamazone“ oder auch „Welten des Schreckens“. Der Schriftzug wabert mit Buchstaben aus Wellenlinien, trieft blutig, die Cover zieren Totenköpfe oder Maden in Augenhöhlen, und es wimmelt von Schlagzeilen wie „Gefangen in einer Welt der Untoten!“ oder „52 Seiten untote Schrecken!“ Das klingt nach alten Comics der 70er, wie „Gespenster Geschichten“, wie „Buffalo Bill jagt die Todesbande!“, und es klingt nach Titeln vom Bahnhofskino. Das soll es auch, denn Kurio mag den Begriff „Trash“ nicht, er bevorzugt „B-Movies“.
Verborgene Qualitäten wiederbelebt
Das hat seine Berechtigung: Denn wohlwollender Spott über die Albernheiten der Comics seiner Jugend ist nur ein Teil von Kurios Zutaten. Mindestens genauso wichtig ist offenbar immer auch die Sehnsucht des 41-Jährigen nach der Faszination von früher – und damit das Wissen, dass der Mist von einst auch Qualitäten gehabt haben muss. Jene Qualitäten finden sich inzwischen auch in seinem eigenen Werk. Seit über 25 Jahren betreut Kurio all diese Reihen selbst, liefert regelmäßig und zuverlässig neues Material, auch notgedrungen, weil der Bahnhofsbuchhandel eben ständig neue Sachen fordert. Bei diesem Ausstoß ist es beinahe zwangsläufig, dass ihm auch Ideen kommen, die ihm zu schade fürs Verulken sind. Bei den Zombies ist das am auffälligsten.
Variantenreich, handwerklich gut gemacht
Anders als bei den anderen Serien erzählen sie keine einzelnen Episoden, sondern eine fortlaufende Geschichte. Von der Parodie ist eigentlich nur noch die Covergestaltung übrig, und dass Kurio mit lesbarer Freude eine Gruppe von Reichsbürgern als brandaktuelle Bösewichte einbaut.
Ansonsten finden sich jedoch immer öfter Elemente, die handwerklich gut gemacht sind. Wenn beispielsweise ein Abenteuer nicht sturheil mit dem Hauptdarsteller beginnt, sondern mit einer futtersuchenden Ratte. Dass der verwitterte Held der Geschichte nicht die üblichen Komparsen einsammelt, sondern eine hilflose, weil blinde Blondine (bei der Kurio auch auf die sonst gern absurd prallen Brüste verzichtet). Für die vernachlässigte Parodie-Abteilung hat Kurio dann lieber eine neue Serie aus dem Boden gestampft: „Zombieman“, den „Rächer der lebenden Toten“, der mit einem „Z“ auf der Brust einen Sheriff verprügelt, der dem „Walking Dead“-Helden Rick Grimes verdächtig ähnlich sieht.
Keine Supertalent, aber ein ehrgeiziger Selbstverbesserer
Das Ergebnis ist eine mittlerweile erstaunlich routiniert und professionell arbeitende Wundertüte: Sicher, manche Idee ist banal, aber nicht banaler als in den Comics von einst. Dafür ist manches ganz schön gewitzt, und mit den Zeichnungen ist es nicht anders. Kurio ist kein Jahrhunderttalent, aber ein fleißiger Arbeiter und ehrgeiziger Verbesserer. Das Ungelenke, das an frühe Marvelhefte erinnert und für die Parodie gut geeignet war, ist ständig auf dem Rückzug. Mittlerweile haben manche Panels beinahe schon was Robert-Crumbhaftes, einige Seiten, wie etwa das verregnete zweite Kapitel von „Zombieman“, geraten fast schon zu perfekt.
Da wird’s dann allmählich kompliziert: Je besser Kurio wird, desto mehr gerät er mit dem romantisch-nostalgischen Billigcharme ins Gehege, der ja das ganze Projekt so einzigartig macht. Gerade, wenn man die alten „Gespenster Geschichten“ aufschlägt, findet man ja hinter dem aufwändigen Cover oft einen Zeichenstil, der gruseliger ist als die eigentliche Geschichte – zu gut darf man also nicht werden. Wie Kurio den Widerspruch löst, verspricht mindestens so viel Spannung wie die Zombiestories selbst. Seltsam? Aber so steht es geschrieben.
Zombie-Terror, Weissblech Comics, Bände 1-6, je 4,90 Euro. Zombieman, Weissblech Comics, Band 1, 4,90 Euro
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.
Der letzte Band der Peanuts-Werkausgabe ist erschienen. Unerwartetes Fazit: Charles M. Schulz‘ meisterhafte Serie hatte eigentlich nur eine wirklich starke Phase
Es zieht sich. Erstaunlich. Und nicht nur der soeben erschienene letzte Band der „Peanuts“-Werkausgabe, der die Jahre 1999 und 2000 zusammenfasst: Das wäre ja auch albern. 1999 war Charles M. Schulz, Mitte 70, bereits krebskrank, zitterte beim Zeichnen und schickte sich an, mit seinen „Peanuts“ das fünfte Jahrzehnt zu beenden – da kann man schon mal nachlassen. Nein, das Überraschende ist, wenn man die Werkausgabe zur Hand nimmt, wie früh die Qualität schon nachgelassen hat.
Die geheime Zutat: Furcht
Mitte der 90er? Anfang der 90er? In den 80ern? Es fällt mir selbst schwer, das so zu sagen, aber ehrlich gesagt: Schon Mitte der 70er wird die Angelegenheit ziemlich öde. Und damit sind nicht die Zeichnungen gemeint: Schulz‘ klassischer reduzierter Stil blieb bis zum Ende zuverlässig. Es sind die Pointen und ihre Ausarbeitung, die zunehmend in einer Mischung aus Routine und Ideenarmut versinken. Oder liegt es vielleicht nur am Kontrast?
1950 hatte Schulz den Strip gestartet. Er lieferte zunächst solide optische Gags, Slapstick und Erwachsenes aus Kindersicht. Doch um 1957 passiert eine erstaunliche Wandlung: „Peanuts“ wird düsterer, bedrohlicher und zugleich weitaus witziger. Die magische Zutat dabei ist denkbar ungewöhnlich: Furcht.
Linus und Charlie Brown liegen nachts wach
Sie beherrscht den ganzen Strip, und damit ist nicht nur Charlie Brown gemeint, der erst jetzt allmählich zum ewigen Verlierer wird, zum depressiven Pechvogel mit Versagensängsten. Auch Linus liegt nachts schlaflos im Bett, sogar Snoopy (in einem Strip 1959 sogar Charlie Brown, Schröder, Lucy und Snoopy gleichzeitig). Der nächste Schultag droht, das nächste Spiel der Baseballmannschaft, die Weihnachtsaufführung, die Fahrt ins Ferienlager, der Abriss der Hundehütte.
Einer der besten, weil entsetzlichsten Strips erscheint 1964: Lucy, inzwischen nebenberufliche Psychiaterin, beschließt Charlie Brown zu therapieren, indem sie ihm seine Fehler als Dia-Show vorführt. Man sieht kein einziges dieser Dias, aber man sieht die Reaktion in Charlies panischen Schreien. Drei Panels lang führte Schulz den Leser in eine absurde Horrorwelt aus Kinderperspektive, das vierte Panel bietet eine Pointe, die zwar erlöst, aber tatsächlich oft nur mit sarkastischem Galgenhumor.
Lucys Mix aus Therapie und Terror
Wie Schulz in diese harmlose Welt ein alltägliches Grauen packte, war unnachahmlich: der sonst so selbstsichere Schröder macht sich tagelang Vorwürfe, weil er Beethovens Geburtstag vergisst. Linus stellt fest, dass der Regen aufhört, als er einen harmlosen Kindervers aufsagt – prompt fürchtet er, gesteinigt zu werden. Seine einzige Zuflucht, die Schmusedecke, wird von seiner Schwester Lucy mal zerschnitten, mal zum Drachen verbaut und losgelassen. Und auch Lucy selbst hat Angst: mit ihrem Mix aus Terror und Therapie beweist sie vor allem sich selbst die Überlegenheit des eigenen Lebensmodells – weil der Gedanke, womöglich falsch zu leben, für sie so unerträglich ist, dass ihr nur die Option des Rechthabens und Gewinnens bleibt.
Absurde Bilder für die Ewigkeit
Vor diesem nachtschwarzen Hintergrund wirkten die parallel dazu entwickelten Absurditäten umso erleichternder. Man muss sie eigens aufzählen, weil man sie inzwischen schon für selbstverständlich hält: Snoopy liegt seit 1958 auf dem Dachfirst seiner Hundehütte – physikalisch und anatomisch unmöglich, inzwischen trotzdem ein Symbol gemütlicher Entspannung. Linus verehrt den Großen Kürbis – es hat ewig gedauert, bis ich begriffen habe, dass er damit sogar in Amerika allein ist. Beethovens Geburtstag, Leute so anzuschreien, dass sie in der Luft auf dem Kopf stehen, ein Hund mit Fliegerbrille, der in seiner Fantasie über den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs fliegt, so hingebungsvoll, dass sogar der Leser die Hundehütte als Jagdflugzeug akzeptiert. Knapp zehn Jahre lang zeichnete Schulz Geniestreiche, sieben Tage pro Woche, fast ausnahmslos. Dann begann der Abstieg.
Der Abstieg: Snoopy spielt Golf und Tennis
Kann man das tatsächlich so hart sagen? Man muss sogar, weil der Unterschied so augenfällig ist. Snoopy etwa spielt zunehmend Golf oder hadert mit seinem Tennis – wie jeder andere Sportler. Er joggt, und seine Körperteile beginnen miteinander zu diskutieren. Das Schulhaus fängt an zu reden. Peppermint Patty verheddert ihre Haare im Ringbuch. Woodstock und seine Mit-Vögel machen Dummheiten. All das hat nichts Besonderes, nichts Bedrohliches mehr: Ein Schulhaus hat nichts zu fürchten, Peppermint Patty akzeptiert ihre schlechten Noten achselzuckend. Die tiefschwarze Ebene hellt auf und nimmt dem Strip die Besonderheit. Schulz reduziert zudem den Aufwand.
Der früher exzellent konstruierte Vier-Panel-Strip schrumpft zuerst auf drei Panel – da muss man sich schon mal ein Bild weniger ausdenken. Aus dreien werden gelegentlich zwei oder auch nur eines, das ist dann ein Cartoon ohne jede Dramaturgie, dessen Pointe oft darin besteht, das Snoopy irgendeine Bemerkung mit Hund oder Keks denkt.
Die 90er: immer more of the same
Es erscheinen Aufguss-Figuren: Linus und Lucy bekommen den Bruder Rerun, Snoopy bekommt neben diversen witzlosen Brüdern einen Cousin namens Spike, der in der Wüste wohnt und sich mit Kakteen unterhält. Lucy schüchtert kaum noch ein, phasenweise ist sie so dämlich, dass sogar Charlie Brown Widerworte gibt. Mitte der 90er mutiert Charlie gar zu einer Art in sich ruhendem großen Bruder, dessen Selbstzweifel nachgelassen haben.
Er spielt zwar nicht besser Baseball, hat aber vorübergehend zwei Verehrerinnen, und da ist die Luft dann schon ziemlich raus: Derart raus, dass ich im Nachhinein die neuen Peanuts-Comics, die nach Schulz‘ Tod erstellt wurden, als beinahe gleichwertig akzeptieren muss. Da wurde das Original-Archiv zwar skrupellos geplündert, grausig nachgezeichnet und erschütternd koloriert, aber die spärlichen eigenen Ideen sind denen des ausgelaugten Schulz deprimierend ebenbürtig.
Was bleibt, ist ein großes Lebenswerk, das nicht komplett ins Regal muss – die Bände von 1958 bis, sagen wir, 1974, dafür aber unbedingt.
Charles M. Schulz, Die Peanuts, Werkausgabe, Carlsen, Band 1-25, 29,90-32,90 Euro
Peanuts, Cross Cult, je Band 10 Euro
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.