Endlich Neues von Aya! Die Saga um das clevere Mädchen von der Elfenbeinküste vermittelt erneut ihr einzigartiges Afrika-Bild: komödiantisch-leicht
Was für ein erfreuliches Comeback: „Aya aus Yopougon“ kommt zurück. Wer’s kennt, darf sich freuen, wer nicht, um so mehr. Denn Aya bietet einen komplett einzigartigen, erfrischenden Blick auf Afrika, genauer gesagt: natürlich nur auf einen Teil Afrikas, nämlich die Elfenbeinküste – allerdings vor etwa 50 Jahren.
Vögelnder Chef mit dussligem Sohn
Die Elfenbeinküste der 70er war offenbar prowestlich, stabil und dabei trotz diverser Demokratie-Defizite liberal regiert. Was bedeutete, dass über einen längeren Zeitraum kaum jemand vor Dingen wie Hunger, Verfolgung oder einem Putsch fliehen musste. Dass sich eine stabile Gesellschaft mit leidlichem Wohlstand entwickelte – was Abouet zusammen mit Zeichner Clément Oubrerie zu einer munteren lokalen Soap-Burleske verarbeitete, mit drei jungen Mädchen im Zentrum: Aya, Adjoua und Bintou. Aber letztlich ist es auch und vor allem eine vergnügliche Ansammlung liebenswerter Dödel und Dödelinnen.
Ayas Papa Hyacinthe schwankt ständig zwischen Kriechertum und Bedeutungshuberei, weil er einen guten Posten in der örtlichen Brauerei hat. Sein Chef ist der wild herumvögelnde Monsieur Sissoko, der verzweifelt versucht, aus seinem steindummen Sohn Moussa einen Nachfolger zu formen. Es werden idiotische Geschäftsideen entwickelt und Hexenmeister zur Lebensberatung und -steuerung herangezogen. Vor allem aber wird auch munter gebalzt. Wer mit wem, und wer macht wen an, und nachts trifft man sich zum Poppen auf dem Marktplatz, wo die leerstehenden Marktstände als Paarungspritschen dienen. Leider ist dabei im Dunkeln nicht nur gut Munkeln, sondern auch gut Verwechseln. Unterdessen hat es Innocent, schwul und naiv, nach Paris geschafft, wo er mal als Michael-Jackson-Kopie, mal als Prince-Imitat heimisch zu werden versucht.
Früh lesen können? Teufelswerk!
Darf man sowas? Eine afrikanische Tölpelparade inszenieren? Kulturelle Aneignung ist’s auf jeden Fall schon mal nicht, Szenaristin Marguerite Abouet wuchs an der Elfenbeinküste auf, sie verarbeitet ihre Erinnerungen. Zudem blendet sie ernste Themen nicht aus, sondern jubelt sie ihren Lesern so geschickt wie beiläufig unter. So werden die schlicht gewirkten Eltern auch deshalb zum Problem, weil ihr Einfluss auf die Lebensgestaltung der Kinder noch immer groß ist. Weil hier die Homosexualität des Sohnes eine genauso verhexte Katastrophe ist wie dass der kleine Enkel (3) schon lesen kann: Eine ganz finstere Krankheit steckt dahinter, sie nennt sich „Hochbegabung“. Weil hier die Jungs sich für Gottes Geschenk an die Menschheit halten und die Mädels es ihnen glauben – bis auf Aya natürlich, die Titelheldin, bei der als Einziger die Tassen im Schrank noch vollzählig zu sein scheinen. Aya, die was aus sich machen will und die sich nichts gefallen lässt.
Clément Oubrerie, Abouets Ehemann, hat die Geschichten kongenial illustriert. Sonnig, extrem farbenfroh, mit besonderem Augenmerk auf afrikanisches Textildesign, auf Lebenslust und Kochkunst. Zudem liest sich „Aya“ ausgesprochen locker, die ständigen Schauplatzwechsel geben das Gefühl, man sei selber in diese ganzen schwurbeligen Zirkel integriert. Als wären all die normal-merkwürdigen Protagonisten Teil des eigenen Freundeskreises. Von dem man natürlich auch ständig wissen möchte, wie’s weitergeht. Einziges Manko für Neueinsteiger: Die ersten, genauso empfehlenswerten Teile der Serie liegen inzwischen so weit zurück, dass einige vergriffen sind. Reprodukt hat allerdings mit der Wiederveröffentlichung begonnen, Teil eins ist schon draußen, Teil zwei erscheint im November.
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Die Outtakes (4): Kolonialexotik, Fußball und ein spinnender Niederländer – ab hier lesen Sie auf eigene Gefahr
Linie klar, Inhalt sparsam
„Rampokan“ erzählt die Geschichte der niederländischen Besatzer auf Java, die nach der Niederlage der Japaner zurückkehren. Ligne claire, hübsch gezeichnet, zweifellos. Doch so ansehnlich die Menge an Lokalkolorit, so wissenswert der Hintergrund auch ist, beides versinkt in so viel Geschwafel, dass man nicht weiß, wozu man weiterlesen soll. Und sich wundert, wie es möglich ist, in eine Kolonial-Militärgeschichte so wenig Action zu packen.
Ersatzterix
„Gilles der Gauner“ ist ein Paradebeleg dafür, dass man seine Jugend nicht mehr einfach zurückholen kann. Hätte ich vor 45 Jahren den Comic in die Finger bekommen, hätte ich ihn verschlungen. Heute habe ich zu viel gelesen, das besser ist. Und das kann ich leider nicht mehr löschen.
Gilles ist ein Asterix-Mitbewerber aus den 80ern und spielt im 16. Jahrhundert. Die Spanier, die die Niederlande erobern wollen, sollen die Römer ersetzen. Und die Niederländer – aber da geht's schon los. Die Niederländer sind nicht die Hauptdarsteller, Star ist der Wegelagerer Gilles, und der ist irgendwie auf keiner Seite. Er ist weder freundlich noch ideenreich, sogar leicht dämlich, und als Sympathieträger fällt er auch deshalb aus, weil man zwar weiß, dass man (Hauptrolle!) auf seiner Seite sein sollte, aber leider nicht wieso. Manche Stories erinnern an die Bemühungen des Koyoten vom Roadrunner, sind aber nicht halb so komisch. Weil die halbverhungerte, tragische Viehgur keine Wahl hat, Gilles hingegen – tja, was will der eigentlich?
Aber: Es ist eine hübsche Gelegenheit zur Comicpädagogik. Schenken Sie's Kindern. Gucken Sie, ob sich Gilles gegen Asterix durchsetzen kann.
Finden Sie die Unterschiede.
Reden Sie mal drüber.
Gottes Händchen
Fußballcomics sind schwierig, schwieriger noch als Boxercomics, weil Fußball mehr aus Szenen besteht als aus Momenten. Texter Paolo Baron und Zeichner Ernesto Carbonetti weichen daher in ihrem Comic über Diego Maradona geschickt dem Fußball aus. In „Die Hand Gottes“ konzentrieren sie sich auf die Biografie, einige ikonische Bilder und die nahezu religiöse Kombination aus Maradona und Neapel, wo er sieben Jahre lang spielte.
Das sieht streckenweise richtig gut aus, geht aber nur für Fans vollständig auf. Denn: Um diesen erst genialen, dann koksenden und schließlich übergewichtigen Weltstar faszinierend zu finden, muss man jene komplexen, mehrsekündigen Szenen erlebt haben, die er einem Millionenpublikum vorzauberte. Und Nachgucken bei Youtube ist kaum ein wirklicher Ersatz.
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Dick, tapfer, unbeirrbar: Aus Brasilien kommt Márcia, die wahrscheinlich unwahrscheinlichste Comic-Heldin der Gegenwart
Farben zum Blindwerden. Eine Heldin, die so hoch ist wie breit. Und geschickt gekleidet sieht wahrscheinlich auch anders aus. Mutig kann man das nennen, aber das Ergebnis ist jedes Risiko wert: „Hör nur, schöne Márcia“ vom Brasilianer Marcello Quintanilha ist ein aufregender Hingucker. Spannend, erfrischend, berührend.
Farben zum Blindwerden
Márcia ist so um die 40, Krankenschwester. Sie lebt in Rio de Janeiro, mit ihrem Freund, dem Maurer Aluísio, und ihrer Tochter Jaqueline. Letztere ist so arrogant wie umfangreich, betreibt in enge Tops und kurze Röcke gepresst irgendetwas zwischen Kleinkriminalität und Hobbyprostitution. Als Jaqueline festgenommen wird, zahlt ihr die örtliche Mafia einen Anwalt und droht sie damit endgültig in der Hand zu haben. Als Jaqueline Aluísio, der ihr zu helfen versucht, von Mafiosi ins Koma prügeln lässt, geht Márcia zur Polizei.
Nein, schön ist diese Geschichte nicht. Aber schon lange hat man im Comic keine stärkere Frauenfigur mehr gesehen als Márcia. Die sich mit Entschlossenheit, Anstand und Mitmenschlichkeit in einer Welt der Verbrecher und Korruption behauptet. Die sich in der Klinik die Gangster cool mit einer Spritze vom Leibe hält – obwohl sie insgeheim vor Angst zittert. Die wie eine Löwin um ihre Tochter kämpft, die mit „selbstverliebte, egoistische Kotzbröckin“ noch milde umschrieben ist.
Lüg dich zum Superstar
Márcias Welt hat mit unserer Normalität nichts mehr zu tun – und damit erklärt Marcello Quintanilha auch die Farben: neongrüner Himmel, pinkfarbene Häuser, die Haut zwischen grauviolett und hellblau. Eine Welt, sagt er, die so weit von der Wirklichkeit abgekoppelt ist, „dass Leute wie Trump oder Bolsonaro in die höchsten Ämter kommen“. Eine Welt, in der jemand wie Jaqueline sich für eine Art Superstar halten kann. Und angestrengt darüber hinweglügt, dass es die Márcias und Aluísios sind, die am Ende den ganzen Laden zusammenhalten.
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