Statt Pathos und Firlefanz: âMadeleine, die WiderstĂ€ndigeâ vereint HĂ€rte mit Nostalgie zu einem PortrĂ€t des französischen Widerstands
Liegtâs am nassen Kopfsteinpflaster? Band 2 der RĂ©sistance-Serie âMadeleine, die WiderstĂ€ndigeâ ist erschienen, und ich kann mich an diesem alten Paris kaum sattsehen, das Dominique Bertail da zum blĂ€ulichen Leben erweckt. Blau ist ja nach wie vor die einzige ErgĂ€nzungsfarbe, die er verwendet, aber seltsamerweise kam mir Blau noch nie so bunt vor.
Hilft die Trickserei?
Und so nostalgisch, dass es einem irgendwann fast logisch vorkommt, dass es in diesem Paris immer nass und herbstlich ist, weil sich dann diese nasse BlaugrĂ€ue noch viel besser inszenieren lĂ€sst. Ist natĂŒrlich erzĂ€hlerisch getrickst, und wie bei allen Tricks stellt sich die Frage: hilftâs der Geschichte?
Denn auffliegende Tricks können viel kaputtmachen. Hier nicht: Dazu ist das Gesamtpaket von Szenarist JD Morvan und der echten Madeleine Riffaud zu geschickt geschnĂŒrt. Erneut wird viel geschildert, aber nur wenig ausbuchstabiert. Wie taucht man unter? Wie warnt man aufgeflogene WiderstĂ€ndler? Wie notiert man sich Treffpunkte so, dass der Feind mit der Notiz nichts anfangen kann? Wo versteckt man seine Pistole? Wie kommt man ĂŒberhaupt an Waffen? Riffaud kommentiert all das manchmal aus dem Off, aber sparsam.
Kompetent kompiliert
Wie man ĂŒberhaupt den Text sehr loben muss: Gerade Autobiographisches ist ja nicht einfach zu sortieren, weil man beim ErzĂ€hlen der eigenen Geschichte leicht mal zu dicht dran ist. Ich kenne die Original-Memoiren von Madeleine Riffaud nicht, aber was JD Morvan und Riffaud fĂŒr den Comic zusammengestellt haben, ist erfreulich prĂ€gnant, nicht zu gefĂŒhlig, schwafelfrei, spannend und man hat hinterher auch noch was gelernt. Und noch eine Sache ist extrem hilfreich: Die Sache mit der Katze bleibt eine Ausnahme.
Die Katze taucht auf einem einzigen Panel auf: Sie sitzt im Regen und faucht die deutschen Stiefel an, die neben ihr vorbeimarschieren. Recht platt, dieses âGuck mal, so böse sind die Deutschen, dass nicht mal die Katze sie mag!â Und gerade daran, dass einem dieses Panel so unangenehm auffĂ€llt, merkt man, dass der Comic sonst derlei Albernheiten weglĂ€sst.
Rettende Ohrfeige
Viel charmanter und weiterfĂŒhrender ist die Episode, in der ein WiderstĂ€ndler eine Massenvergewaltigung durch deutsche Soldaten verhindert, indem er sich als Bruder des Opfer ausgibt. Er ohrfeigt sie und sagt ihr, sie solle sich nicht benehmen wie eine Schlampe. Was die Deutschen plötzlich sehr beeindruckt, weil sie zuhause vermutlich auch Schwestern haben. Das hilft bei der Urteilsfindung ĂŒber CharakterzĂŒge Machtversuchungen fernab der Heimat mehr als die Frage, ob Katzen fauchen oder schnurren. Und die Farbe?
Besatzungs-Blues
Also, im Interview sagt Dominique Bertail, ihm wĂ€ren ârichtigeâ Farben falsch vorgekommen, weil die WiderstĂ€ndler den Himmel im besetzten Paris auch nicht schön blau gefunden hĂ€tten. Blau als alleinigen Zusatz nahm er, weil ihm âschwarz-weiĂ zu trockenâ vorgekommen sei, und Blau brĂ€chte das Ganze âmehr zum Schwingenâ.  Wer mag, kann freilich auch an deutsche Uniformen denken, die im GedĂ€chtnis seltsamerweise immer blaugrauer wirken als sie tatsĂ€chlich waren. Zudem ist Besetztsein vermutlich hĂ€ufig herbstlich deprimierend, vor allem, wenn man von den Besatzern weder Schokolade noch Kaugummi noch Comics kriegt, sondern nur deutsche Herrenmenschen. Im Film gibtâs bekanntlich die schöne Ausrede âWirkung vor Logikâ: Und die gibt Bertail, Riffaud und Morvan in jedem Fall recht: Weil âWirkungâ hatâs hier jede Menge!
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Die Outtakes (19): Ein schlagkrÀftiger Nachfolger, ein geduldiger Gruselmanga und eine umstÀndliche KI
Vererbter Job als Hauptfigur
Die Serie um den âDonjonâ hab ich schon mehrfach empfohlen: Sie ist witzig, ironisch, und das fĂŒr Fantasy-Freunde und -Skeptiker zugleich. AuĂerdem lernt man immer neue Zeichner kennen. Trotzdem ist nicht jeder der bisher rund 60 BĂ€nde gleich gut. Ein prima Band funktioniert (fĂŒr mich) auch ohne dass man die ganze lange Geschichte kennt (weshalb die Serie anfangs auch kreuz und quer durch die ErzĂ€hlzeit springen konnte). Der neue Band âProgrammĂ€nderungâ schafft das nicht. Ist auch schwer, weil der Band am bisherigen Ende des Zyklus spielt. Obendrein wird die Story durch einen Trugschluss geschwĂ€cht: Serienhauptfigur Herbert mochte man wegen seiner verschrobenen SchwĂ€chen, aber deswegen wird doch nicht gleich dessen Neffe, Sohn, Enkel oder sonstwas ebenfalls gleich als Hauptfigur interessant. So kann der Band trotz aufgeweckter, knallbunter Action leider die Erwartungen nicht recht erfĂŒllen.
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LovekrÀftig
Also: Das hier mag garantiert jemand, nur ich binâs leider nicht. Gou Tanabe macht derzeit aus dem Horror von H.P. Lovecraft sehenswerte Mangas â beispielsweise das hier abgebildete âGrauen von Dunwichâ. Tanabe serviert das Ganze erfreulich dĂŒster und vor allem sehr, sehr geduldig, mit geschickten Verzögerungen und ausgesuchtem, aber nicht zu starkem Splattereinsatz. Ich habe allerdings leider oft ein Problem mit Lovecrafts Schwurbelhorror (auch wenn ich âDie Farbe aus dem Allâ recht gut fand). Doch deshalb sollte man Tanabes atmosphĂ€risch sehr passende Adaptionen hier keinesfalls unter den Tisch fallen lassen, gerade als Lovecraft-Fan. Ausprobieren!
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Verpasste Vorteile
Ein ehrgeiziges Projekt, mit TĂŒcken. IT-Unternehmer Laurent Daudet und Zeichner Appupen greifen das aktuelle Thema KI auf. Und weil Daudet aus der Branche kommt, stricken sie die einfachstmögliche Geschichte um sich selber: Ein junger KI-Unternehmer steht kurz vor der Ăbernahme durch einen der Big Player und diskutiert unter anderem mit einem Comic-Zeichner ĂŒber die Zukunft. Ist KI gut oder schlecht, was kann schiefgehen, wer wird sie nutzen und wie? All das wird debattiert, die einzige Frage, die offenbleibt, ist: Warum als Comic? Denn die Vorteile des Mediums bleiben weitgehend ungenutzt, Appupen illustriert recht brav dem Text hinterher, und weil dieser auch die Richtung vorgibt, wird prompt sehr viel geredet und wenig gezeigt. Was dazu fĂŒhrt, dass man fĂŒr diese Comicversion mehr Zeit braucht als fĂŒr einen fundierten Essay desselben Inhalts. Aber, zugegeben: So gibtâs mehr Bilder.
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Zweimal werden wir noch wach, dann ist Gratis-Manga-Tach: 30 Titel gibt's am Samstag zu entdecken. Falsch machen geht nicht, trotzdem: fĂŒnf Tipps
Heute wieder: Comics umsonzt. Diesmal: Mangas. Und wo ist der Haken? Nirgends, denn anders als Google und Android, die fĂŒrs vorgeblich kostenlose Gucken Ihre Daten wollen, möchten die Manga-Verlage nur Ihre unbeobachtete Aufmerksamkeit. 30 Titel gibt es beim Gratis Manga Day am Samstag, 21. September, thematisch quer durch den GemĂŒsegarten. Nicht komplett, aber doch so viele Kapitel, dass man entspannt beurteilen kann, ob Weiterlesen lohnt. Und im Manga gilt ja eh mehr denn je: Geschmackssache. Weil von zuckrig bis zombig fĂŒr jeden was dabei ist.
Woâs die Titel in Ihrer NĂ€he gibt, finden Sie hier. Und wenn Sie Ihren Wunschmanga nicht kriegen, schauen Sie einfach in einen anderen. Denn gerade beim Manga kann jederzeit hinter einem trashigen Titel ein cleveres Konzept stecken â und umgekehrt.
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Bauherrenmodell
âThe Strange Houseâ von Uketsu arbeitet zwar mit der Brechstange, die ist allerdings recht originell. Ein Mann will ein Haus kaufen und stöĂt beim Studieren des Grundrisses auf einen nicht zugĂ€nglichen Raum. Warum er dazu eine Okkultismusfachfrau befragen muss, weiĂ ich nicht, aber die wiederum fragt einen Architekten, und wie die beiden (zusammen mit dem mitrĂ€tselnden Leser) nur anhand des Grundrisses auf seeehr Wunderliches stoĂen, das ist ausgesprochen unterhaltsam. Und so einleuchtend illustriert wie man es in Kunst- und ArchitekturfĂŒhrern gerne öfter sĂ€he.
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Uketsu (Text), Kyo Ayano (Zeichnungen), Claudia Peter (Ăs.), The Strange House, panini manga
Monströser Putztrupp
Tipp zwei ist thematisch eindeutig japanische Kernkompetenz â Monster. âKaiju No. 8â widmet sich dabei  der Frage nach dem danach: Wenn man eines der âKaijuâ genannten UngetĂŒme umgelegt hat, muss man ja die stadtteilgroĂen Kadaver irgendwie loswerden. Kafka Hibino ist einer derjenigen, die sich dann darum kĂŒmmern mĂŒssen: Er wĂ€re lieber MonsterjĂ€ger geworden, landete aber in der Putztruppe. Ergebnis: actiongeladene MonsterkĂ€mpfe, aber auch derbe âIiih, Monsterkacke!â- und âIih, Monsterhirnâ-Gags. Naoya Matsumotos Gruselsplattercomedy ist ansehnlich, wenn auch reichlich over the top.  Seltsamerweise kommt niemand auf die Idee, die gigantischen Fleischmengen einfach zu essen und so die Fischfang- oder Fleischindustrie zu entlasten (den Manga zum Thema Monsteressen finden Sie hier). Aber Monsterfleisch ist wahrscheinlich auch irgendwie âiiih!â
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Brachial mit Bauchfett
âSakamoto Daysâ bietet Actioncomedy mit einem sehr soliden Action-Anteil, dafĂŒr Humor mit der Abrissbirne: Sakamoto war der beste Auftragskiller der Unterwelt, dann verliebte sich und wurde ein dicker Supermarktbesitzer. Tja. Das warâs. Das ist tatsĂ€chlich der gesamte Humoranteil: Der Killer ist dick und grauhaarig. Aber trotzdem noch gut. Was die Sache nicht lustiger macht, aber die Actionsequenzen sehr unterhaltsam.
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Yuto Suzuki, Martin Gericke (Ăs.) Sakamoto Days, Carlsen Manga
Unerhört
Achtung, Zuckerschock: KlavierschĂŒlerin Saki trifft in âDer Mond in einer Regennachtâ eine geheimnisvolle Fremde, die bald darauf neben ihr in der Klasse sitzt. Saki soll sich ein wenig ihrer annehmen, denn die Neue ist â hörbehindert! Tja: âWas fĂŒr ein cooles MĂ€dchen, aber ⊠warum zieht sie sich so jungenhaft an und hat gleichzeitig so wunderschöne lange Haare?â So brachial wird da herumgeseufzt, aber diesmal sagâ ich okay, weil dafĂŒr recht sanft und sachkundig ĂŒber Hörbehinderungen erzĂ€hlt wird. Den Zuckeranteil hĂ€tte man trotzdem ruhig etwas reduzieren könnenâŠ
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Kuzushiro, Dorothea Ăberall (Ăs.), Der Mond in einer Regennacht, Egmont Manga
Baby an Bord
Oh, eine kleine Perle: âMy Girlfriendâs Childâ. Sachi ist vertrĂ€umt und mag ihre Katze, und sie ist mit dem sehr fĂŒrsorglichen Takara zusammen, und dann wird sie schwanger! Warum ist das ziemlich gut? Weil ganz wenig gesagt wird, viel gezeigt und der hĂ€ufige Manga-Holzhammer in der Werkzeugkiste bleibt. Es wird ĂŒber Sex und Kondome geredet, ĂŒber PenisgröĂen und Schwangerschaftstests, und all das könnte viel, viel schlimmer sein, ist aber sehr einfĂŒhlsam. Ein bisschen Dr. Sommer als Comic.
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Mamoru Aoi, Nana Umino (Ăs.), My Girlfriendâs Child, Carlsen Manga